Paaradox: Conditioner und Körpersprache

Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl
Sie
Waschen, färben, legen – und vor allem allerlei lernen. So lautet das Fazit meines letzten Friseurbesuchs. Gerüstet mit vier Zeitschriften aus der Gattung Promi-Intimitäten mit Käseauflaufrezepten, erfuhr ich in weniger als 30 Minuten (so lange dauert das Entgrauen, wenn niemand zu viele Fragen stellt), was zählt: Ob Joghurt oder Topfen das gesündere Frühstück liefert. Wie es wirklich um Sascha Hehn steht (mit Betonung auf: wirklich). Und dass Prinz William und Catherine derzeit „besonders kraftvoll und glücklich“ wirken – jedenfalls laut einem Körpersprache-Experten, der vermutlich auch Pflanzen analysiert. Sie in Givenchy, er im bewährten Thronfolgerlook, beide heiter, einander nah. Die Theorie dahinter: Langzeitpaare entwickeln im Laufe der Jahre subtile, fast unsichtbare Gesten der Verbundenheit. Sie spiegeln einander. Berühren sich beiläufig. Symbolisch. Sinnlich. Souverän. Aha.
Eher pragmatisch
Während die Alufolien im Haar raschelten, dachte ich an den Mann gegenüber, mit dem ich seit ewig über den Sinn von Pflanzentöpfen, Brokkoli und Deutscher Bundesliga diskutiere, sowie zwischen zivilisiertem Gespräch und emotionalem Überfall wechsle. Die Körpersprache? Mittlerweile eher pragmatisch. Ich klopfe ihm auf den Rücken, er mir auf den Oberschenkel, knapp überm Knie, wenn ich im Lokal kurz vorm hypoglykämischen Meltdown bin, und noch immer kein Wasser, kein Brot, kein Gott in Sicht ist. Auch beliebt: gemeinsames aneinander Herumzupfen. Eine fast zenartige Praxis. Da ein Nasenhaar, dort ein Staubflankerl. Die bewährte Routine für Fortgeschrittene. Aber eh logisch: Ich kenne seinen Leberfleck auf der Schläfe besser als meinen PIN-Code. Er meine Vorliebe für Conditioner mit Kokosöl ((weil ich glaube, dass Glanz innere Stärke ersetzt). Fazit: Wir sind auch ein Paar mit Körpersprache. Nur halt keine royale. Eher funktional-robust. Eine Art Ikea-Version von Kate und William – wackelig, aber noch in Verwendung. Ach ja – zum Schluss fragte mich die Friseurin, ob ich heute einen besonderen Anlass hätte. Ich sagte: „Nein. Ich wollte nur kurz aussehen wie jemand, bei dem gleich was Großes passiert. Spoiler: Tut’s eh nicht.“
Er
Unlängst hat ein Medienjournalist die Titelblattgestaltung einer so genannten Frauenzeitschrift recherchiert, um dann die Seiten nebeneinandergestellt zu präsentieren. Zu sehen waren vierzig (40!!!) Cover der vergangenen Jahre, auf denen Camilla und Charles in immer nahezu identischer Pose abgebildet waren. Und in sämtlichen vierzig (40!!!) Fällen war die demnächst stattfindende Trennung des Königspaares das Thema. Bei den Schlagzeilen variierte der Klatsch zwischen „Blitz-Scheidung“ und „Scheidungs-Drama“, zwischen „Ehe-Aus“ und „Alles aus“. Stattgefunden hat das Ereignis bis heute nicht, ich stellte meiner Frau allerdings die Frage, warum sie während längerer Wartezeiten einer so billigen Lektüre-Verlockung nicht widerstehen könne. Antwort: Lass’ mich, das verstehst du nicht. Das sagt sie gerne. Und daran erinnere ich sie, wenn sie anlässlich der Klub-WM den Umstand, dass ich mir die Partie CF Pachuca gegen Al Hilal (0:2 übrigens) anschaue, ein Gesicht macht, als würde ich ein Zucchini-Kochbuch auswendig lernen. Das findet sie nämlich irgendwie unwürdig, während Boulevard-Bullshit als Entertainment seine Berechtigung hat.
Ode an das Fade
Es scheint jedenfalls, dass im Buckingham Palace die „fast unsichtbaren Gesten der Verbundenheit“ eher nur bei Kate und William augenscheinlich sind, während Camilla und Charles für die royalen Yellow-Press-Analysten ein Beziehungsarmageddon darstellen. Weil nämlich alles, was zwischen himmlischem Glück und der Hölle auf Erden liegt, in Lesewallung versetzt. Wiewohl nach angemessener Zeit die Banalität des Alltäglichen mehr und mehr zum Fundament der Zweisamkeit wird. Zugespitzt könnte man locker eine Ode an das Fade schreiben, im Sinne von: der Wert des Vertrauten. Gnä Kuhn weiß, dass ich über die Frage Nudeln oder Reis? nicht nachdenken mag, während ich das Zeit-Rätsel löse. Und ich wiederum weiß, dass im Rahmen eines Nickerchens in der Hängematte ihre „Weißt-du-zufällig-wo …?“-Allergie von mir nicht einmal geflüstert ausgelöst werden sollte. Vielleicht ist es am Ende einfach nur die Sehnsucht nach dem stillen Einverständnis, die uns verbindet.
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