So kam es, dass wir unlängst Grillpremiere feierten – mit allem, was dazugehört: Zucchini, Melanzani, Paprika und ein bisserl Fleisch. Unverzüglich schickte er seinen Gruß in die Küche: Cocktailsauce nicht vergessen! Dabei beließ er es allerdings nicht. Weil ihm unlängst ein bisserl fad war, hat er sein Cocktailsaucewissen erweitert und per Google herausgefunden, dass es vielerlei Zubereitungsarten gibt. Also pflanzte er sich in meinem Küchenreich auf und garnierte mein Tun mit altklugen Tipps: Rein praktisch könnte man auch Madeira reintun! Und Kren. Sowie ein Haucherl Senf.
Allerdings hatte ich mich für die Zackzack-Variante entschieden und pampte schlicht & schnell Jogurt, Ketchup, Mayo sowie etwas Cognac und Salz in eine Schüssel. Aus die Maus, Opernhaus, weil: „Das muss fürs schlichte Gourmetgemüt reichen, so wie eh immer.“ Da verließ er angerührt die Küche und murmelte: Schade, dass du konstruktive Verbesserungsvorschläge nicht annimmst und so selten lösungsorientiert denkst.
Vermutlich hatte er auch im Ratgeber „Businesstalk für Anfänger“ geschmökert, als ihm fad war. Flugs zog ich eine Lösung aus dem Hut: „Gut, dann Cocktailsauce in Hinkunft nur mehr vom Hausherrn höchstpersönlich zubereitet.“ Und schon erklang sein Hoch auf meine Saucenkunst – und eh alles andere auch.
Er
Im Sinne der Genügsamkeit bin ich beim Grillgelage im Sommer wie beim Fonduefest im Winter tatsächlich glücklich, wenn (gute) Cocktailsauce im Übermaß vorhanden ist. In dieser kulinarischen Liebesbeziehung braucht es keine zehn Schälchen, die mit Curry-Ananas-Sauce, Heidelbeer-Barbecue-Sauce oder Dattel-Feta-Sauce gefüllt sind. Ich muss mich nicht experimentell durch die Welt von Balsamico-Dip über Löwenzahn-Pesto bis Mango-Zwiebel-Chutney schlemmen. Was mich massiv von meiner Frau unterscheidet.
Grünzeug-Alchimistin
Die betrachtet sich nämlich als von Kräutergöttern zur Erde entsandte Alchimistin, deren heilsbringender Auftrag lautet, stets neue Saucenkreationen zu erschaffen. Sie tunkt damit aber nicht nur das Gegrillte ein, sondern quasi auch mich. Weil sie fordert: Kosten musst aber schon.
Tue ich natürlich. Was sie in die Rolle der verzückten Missionarin versetzt, die hofft, ich würde in Folge historischer Geschmacksexplosionen um den Tisch tanzen und frohlocken: „Nie hat etwas Bedeutenderes das Licht der Gourmet-Welt erblickt als diese Birne-Kerbel-Salsa.“ Statt dessen sage ich: „Eh gut, … gibt’s noch Cocktailsauce?“ Und sie antwortet: Pffffffff! Ich verstehe das.
Wenn man tausend Beete, Kisterln und Töpfe voll mit Grünzeug besitzt, ergibt sich zwangsweise die Suche nach dessen Bestimmung. Also tüftelt gnä Kuhn mit der Konzentration einer Kraut-und-Rüben-Koryphäe darüber, ob der Vietnamesische Koriander allenfalls mit Geflügelfond harmoniert, oder welchen gemeinsamen Geschmacksnenner Borretsch, Liebstöckel und Bohnenkraut haben könnten. Dann gibt es für sie nix Schöneres als die Frage von Gästen: „Diese exquisite Schärfe ist grandios, was ist das bitte?“ Und meine Frau mit leuchtenden Augen erläutert: Prickelknopf und Zitronenchili, fein abgeschmeckt mit Marzipansalbei und Bananenminze. Ja, Staunen ist ihr liebster Applaus – vermutlich fast so wertvoll wie eine leere Cocktailsauce-Schüssel.
michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9
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