Paaradox: Immer schön sachlich bleiben

Paaradox: Immer schön sachlich bleiben
Eheliche Dispute sind auch eine Frage der emotionalen Kontrolle. Es wird eben viel geredet, wenn der Tag lang ist. Aber nicht alles davon ist wohlüberlegt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Immer wieder unterhaltsam ist, wenn der Mann nebenan im Streitfall sagt: Ganz ehrlich jetzt: Lass uns bitte sachlich bleiben, während er schon längst mit seiner Contenance zu kämpfen hat. So grellrot wie seine Wangen  glühen, die Augen funkeln, die Hände fuchteln, und die Männerbrust bebt. Man braucht kein Körpersprache-Experte zu sein, um zu erkennen: Wenn wer in Rage ist und das Reich der Sachlichkeit längst verlassen hat, dann der Herr Hufnagl selbst. In so einem Moment würde ich ihm wirklich gerne einen Handspiegel reichen – und mit folgenden Worten garnieren: Weißt was? Schau doch da mal rein und sag’ bitte drei Mal den Satz „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’“. Oder noch besser: Schreib ihn 40 Mal hintereinander in ein  Schulheft – Quart, liniert, 40 Seiten. 

Entzwei reißen

Sie erinnern sich vielleicht noch: Rumpelstilzchen, das ist dieser cholerische Typ aus dem gleichnamigen Märchen. Der, der mit dem rechten Fuß vor lauter Zorn so tief in die Erde stößt, „dass es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei.“ Nun, so weit ist es bei uns noch nicht gekommen. Im Falle dessen hätte ich Sie an dieser Stelle selbstverständlich exklusiv davon informiert, dass es jetzt zwei Hufnagls gibt. Aber fast! Fast wäre es manchmal so weit gewesen. Denn seine oft Tsunami-artigen Brandreden in Sachen Wie drück’ ich der gnä Kuhn auf’s Aug, was ich gerne hätte haben mitunter etwas hyperdynamisch-Explosionsartiges, um es elegant auszudrücken. Deshalb lache ich meist, wenn er das Thema „Sachlichkeit“ im sehr aufgeregt-zittrigen Stimm-Modus einfordert und  so tut als würde es leise sein. Eine, wie ich meine, äußerst kluge Form der Deeskalationsstrategie, bei der ich an den schönen Satz des Autors Siegfried Wache denken muss: „Das schlimmste für einen Komödianten ist es, wenn es das Publikum mit dem Lachen nicht ernst meint.“ 

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Natürlich  ist es im Fall einer Auseinandersetzung mit gnä Kuhn äußerst wichtig, Sachlichkeit einzumahnen. Sie hat nämlich die top-trainierte Eigenart, Polemiken einzuleiten mit Worten wie: Das ist jetzt überspitzt formuliert ... Oder: Du bist unter Anführungszeichen ein … Dabei inszeniert sie ein Scheingrinsen und zeichnet mit ihren Händen Gänsefüßchen in die Luft, was mich schon bei meiner Bio-Lehrerin in der vierten Klasse narrisch gemacht hat. Interessant ist jedenfalls, dass es für eheliche Diskussionen ein fest verankertes Eskalationsmuster gibt. Ein Gesetz, das wir beide kennen und seit mehr als zwanzig Jahren mit störrischer Verlässlichkeit einhalten, statt ohne Umwege in die konstruktive Phase einzutauchen.

Reflexionen

Dabei gibt es eine ganze Menge an Kuhn-Ansagen, die wahre Spitzenwerte auf meiner nach oben offenen Weißglut-Skala garantieren. Meine diesbezüglich glorreichen Sieben: 1. Ich habe dir schon hundert Mal gesagt. Warum sagt sie es dann ein 101. Mal, wenn die Botschaft doch offensichtlich ohne Effekt bleibt? 2. Du wiederholst dich. Als hätte das nicht einen sehr guten Grund – nämlich jenen, dass die von mir behutsam destillierte Essenz bei ihr partout nicht jene Hirn-Zone erreicht, die für gelungene Reflexionen zuständig ist. 3. Versetz’ dich doch einmal in meine Position. Würde ich echt gerne, dann ginge es mir fix viel besser – mit mir als Gegenüber. 4. Warum wirst du jetzt laut? Was für eine Frage. Weil das Leise nicht ankommt. 5. Es ist sinnlos mit dir zu diskutieren. Womit sie zu verstehen gibt, dass sie es ist, die den Sinn definiert. Egal, wie sinnvoll (und klarerweise bestechend) meine Argumente sind. 6. Ich glaube, du willst mich nicht verstehen. Das unterscheidet uns. Sie glaubt, ich hingegen weiß, dass sie mich nicht verstehen will. 7. Wurscht, lass’ ma das. Erklingt (mit ergänzender Abwinkgeste) vorzugsweise, wenn’s bei mir als Streitkraft gut läuft. Am Ende aber hat die Liebste – ganz ehrlich – eben sehr oft die beste Idee.  

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9

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