Paaradox: Einen Vogel haben

Paaradox: Einen Vogel haben
Wenn er unter die Naturbeobachter geht, und sie sich darüber wundert – dann bleibt in einer Beziehung kein Stein auf dem anderen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Der Mann nebenan hat es erneut geschafft, mich zu verblüffen. Gestern, als er vom morgendlichen Hundespaziergang zurückkam und mir den Vogel zeigte. Genauer gesagt, ein unterbelichtetes und verschwommenes Handyfoto eines unbekannten Flugobjekts, dem er im Wald begegnet ist. „Weißt du vielleicht, was das ist?“, fragte er und hielt mir das Smartphone vors Gesicht. Dabei schwärmte er von diesem wunderbaren Gepiepse, das ihn seit kurzem nicht spazieren gehen, sondern spazierenschweben lässt. Die Freiheit, die er meint, ist jetzt also an Vögeln festzumachen, dachte ich, sagte aber nix. Auch eher wenig konnte ich zur Flugobjekt-Aufklärung beitragen, denn als er mir das Viecherl näher beschrieb, klang das so: Weißt eh, so gesprenkelt, so ein rotes Tupferl, glaub ich, oder vielleicht war’s lila, mittelgroß. Und einen halbrunden Schnabel, weiß jetzt auch nicht. Aber wirklich sehr lieb. Und so frech! Darauf antwortete ich nur kurz: „Und? Habt Ihr Telefonnummern ausgetauscht?“ Mehr hatte ich leider nicht beizutragen.

Sein Outing

Nun, ich gehe ja davon aus, dass bei dieser präzisen Beschreibung selbst der Top-Ornithologe des Landes w.o. geben und die Frage, was das ist, so beantworten würde: Ein Vogerl halt. Viel spannender ist sein Outing als Naturbeobachter. Schon im Vorjahr fand ich ihn diesbezüglich verhaltensauffällig, als er einen „Eichkatzerl“-Post auf Facebook verfasste. Bis dahin dachte ich, er hätte nur Augen für Bälle aller Art, Weinetiketten-Design und allenfalls mich. Jetzt also Vogerlgucken, Eichkatzerlschauen, Baumrindenschnüffeln und womöglich feinsinniges Analysieren der Wolken am Himmel? Aber gut, wenn’s nur das ist. Für Ostern habe ich daher schon eine wunderbare Geschenkidee. Das bei Kindern beliebte Set „Becherlupe mit Werkzeug“, mit dem er Fundstücke sammeln und genau beäugen kann. Sowie das Oeuvre Mein tolles Vogelbeobachtungs-Buch. Interaktiv, eh klar. Man muss ihn ja irgendwie beschäftigen.

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Vielleicht ist es eine Alterserscheinung. Aber mich ödet der Winter sagenhaft an. 4 Tage wären ok. 4 Wochen von mir aus. Aber doch nicht 4 Monate? Und so ertappt mich meine Frau immer wieder dabei, wie ich seit der Adventzeit verträumt aus dem Fenster blicke, um zur Seelenerwärmung das Bild eines Achterls Veltliner auf dem Terrassentisch zu entwerfen. Sie sagt: Was is, schon wieder auf Knospensuche? Ich antworte: „Ja, ich will, dass endlich wieder alles eitel Sonne ist.“ Und sie: Ah eh, kannst du dann bitte, wenn du ausgeglotzt hast, Holz aus dem Keller holen? Wen wundert’s, dass ich mich in solchen Momenten über jedes Indiz freue, das die Rückkehr des Frühlings offenbart? Wohl wissend, dass damit auch die Rufe nach Laubklauben, Löchergraben und Erdeschultern nahen. Und als ich vor wenigen Tagen die Vogerln hörte, die für mich die ersten Strophen eines Lenzliedleins tirilierten, hüpfte mein Herz. Selbstverständlich sammle ich nix im Wald, außer wohlige Gefühle. Und auch deshalb, weil ich gar nicht wüsste, wo ich das Zeug lagern sollte.

Ihre Steine

Unsere Wohnung ist nämlich schon voll mit Kramuri. Weil gnä Kuhn seit immer schon auf Schnickschnackzack ist und Sommersouvenirs über Regale und Kommoden verteilt. Kein Schmäh, alleine das Potpourri aus Steinen würde reichen, um die Straße vor dem Haus neu zu pflastern. Kein Ort dieser Welt, an dem die Liebste auf die Frage Stein oder Nichtstein? nicht mit Au ja! geantwortet hätte. Einmal sammelte sie an einem griechischen Strand stundenlang begeistert grüne Steinchen, in der Annahme, etwas besonders Wertvolles entdeckt zu haben. Umso trauriger war sie dann, als ihr der Tavernenwirt Aigidios erklärte, dass es sich dabei lediglich um Bierglassplitter handeln würde – vom Meerwasser abgeschliffen. Was nichts daran änderte, dass auch die Scherbe mit nach Wien musste,  als Andenken an eine Anekdote. Nun, da erscheint mir ein Facebook-Eintrag über Eichhörnchen vergleichsweise normal.m

michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9

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