Paaradox: Die Kraft des Fehlers
SIE
Heute möchte ich mich für den Mann nebenan entschuldigen. Er hat einen Fehler gemacht. FEHLER. Mit drei Rufzeichen und einem, zugegeben, etwas infantilen Gnihihihi meinerseits. Ist dem Wortwunderwuzi an meiner Seite da drüben vergangenen Sonntag tatsächlich ein Vertippsler passiert. Ui! Zwick! Darauf wurde man erst aufmerksam, als die Beilage bereits in Druck war. Also wurde sein Text mit der Wortneuschöpfung „Verbingungsprobleme“ gedruckt (statt „Verbindungsprobleme“). Armer Bub.
„Le Dichter“
Nun: Ich find’ das super, mit leichtem Südhang zur Schadenfreude. Tut man das? Nein, es muss aber manchmal sein. Zumal „Le Dichter“ von seiner Formulierkunst bis zur Penetranz überzeugt ist und diese Penetranz gerne zelebriert. In Form ausgiebigen Brodeltums – eine Art literarisches Quartett, bestehend aus den Elementen „In die Luft schauen“, „Am Handy herumtun“, „In der Nase bohren“ und „Sich schnell noch Nudeln mit Ei machen“. Wenn ich ihn dränge, endlich fertig zu werden, sagt er: Hetz mich nicht. Ich muss noch feilen. Dann beobachte ich ihn, wie er nach den Nudeln mit Ei ewig an einer Formulierung tüftelt, damit der Satz so fällt, dass ja nix abgeteilt wird, weil: Das (vermutlich ein Trauma aus der Volksschulzeit, als man dem Michi ein Sternderl vorenthielt, obwohl er sich doch so bemüht hat). Ja, okay – aber nicht fünf Minuten vor Redaktionsschluss! Dennoch bin ich mir sicher, dass er sagen wird: Ich? Fehler? Geh! Stattdessen wird er den Konjunktiv bemühen: Hättest mich nicht gehetzt, hätte ich nicht gehudelt, wär’ alles richtig. An dieser Stelle werde ich wieder einmal drohen, unsere paaradoxe Liaison für immer zu beenden, um gleichzeitig zu wissen: Ich tu’s eh nicht. Und weil er das auch weiß, wird er grinsen – und weiterbrodeln.
gabriele.kuhn@kurier.at
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ER
Und noch immer grüble ich, wie dieser sogenannte Zwischentitel (in der Fachsprache Zwiti genannt) am vergangenen Sonntag passieren konnte. Ich schrieb tatsächlich „Verbingungsprobleme“, und weil das Wort vermutlich so unverdächtig lustig erscheint, lief der Fehler durch alle Instanzen. Meine Irritation betrifft vor allem den Umstand, dass auf der Tastatur das für diesen Fall benötigte korrekte „d“ nicht unmittelbar neben dem von mir eingesetzten „g“ liegt. Daher kann ich mich nicht mit einem launigen „Meine Güte, vertippt halt“ aus der Affäre ziehen. Denn zwischen dem „d“ und dem „g“ befindet sich nun einmal das „f“. Heißt: Mit einem Zwiti-Ereignis namens „Verbinfungsprobleme“ hätte ich leichter leben können als mit der Verbingungsrealität. Dieses Phänomen versuche ich als Ausdauerschwimmer in der Buchstabensuppe seit Tagen zu erforschen, was meine Frau mit mangelhaft ausgeprägter Empathie bewertet: „Sonst geht’s dir hoffentlich eh gut!“
Aufräumarbeit
Für solche „Papperlapappsis“, wie sie meine unbedeutend anmutenden Alltagssorgen nennt, hat sie null Verständnis. Und das ist doch irgendwie interessant. Denn immerhin hält gnä Kuhn gerne ermüdende Plädoyers für die Sinnlichkeit der Ordnung und den Charme von Aufräumarbeit. Wenn ich indes in herzlicher Pedanterie mein kleines Paaradoxkasterl gut pflege (kein abgeteiltes Wort in dieser Kolumne bitte), verdreht sie nur die Augen und sagt: „Jössas, ich wollt’, in unserem Keller tät’s so ausschauen.“ Dann sage ich: „Tja, ich denke eben an textliche Ästhetik und Lesbarkeit für unsere Leserinnen und Leser.“ Und sie: „Na genau ... hast diesmal eh keinen Fehler drin?“ Und ich: „Fix nicht, Frau Oberd’scheit.“
Solo „Abend mit einem Mannsbild“:
14. 6. Wien (Studio Akzent)
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