Paaradox: Der Zipfelstreit
SIE
Wir hatten zuletzt ein ziemliches Zipfelproblem. Denn aus seiner Sicht sei das mit dem Zipfel völlig überbewertet, aus meiner nicht. Bevor Ihre Fantasie durchdreht: Ich rede von den Zipfeln einer Bettdecke, die der Mann nebenan in einen Überzug stopfte. Ich habe mangels helfender Hände lamentiert, dass die Betten dringend überzogen werden müssten, er sagte nach Lektüre der letzten Kolumne tatsächlich: Lass das doch den Mann fürs Grobe machen.
Sorry, hab’s vergessen!
Um ehrlich zu sein, musste ich mich an dieser Stelle kurz niedersetzen. Kreislaufprobleme, so sehr war ich von dieser Aussage überrascht. Ich trank ein Glas Wasser auf einen Sitz, holte die Bettwäsche und legte sie auf das Bett, weil er meinte: Tu’s mir einfach hin, ich mach das dann gleich. Abends kam ich heim, das
Bettzeug lag immer noch so dort, wie ich es fallen gelassen hatte. Ich fragte vorsichtig nach, er keuchte in der Chaiselongue lungernd: Jui, es war so viel los, sorry, hab’s vergessen, aber ich mach’s gleich. Leider war gerade eine total wichtige Diskussion im Fernsehen, die man keineswegs versäumen darf. Also wuselte er in den Redepausen ins Schlafzimmer, um das „schnell“ und „nebenbei“ zu erledigen. Offenbar scheiterte der Mann dann am Zipfel-TV-Multitasking, was dazu führte, dass die Enden der Decke nicht korrekt in die Ecken des Bettzeugs gestopft wurden. Ein schlaftechnischer Albtraum für mich, zumal ich diesbezüglich – zugegeben – eine ausgeprägtes Neuroserl habe. Also bestand ich auf dringende Zipfelkorrektur. Dann stritten wir. Ja, stimmt: Unsere Sorgen und dem Rothschild sein Geld.
Ich hätte natürlich heute viel lieber über die sensationelle Wirkung der Transaktionsanalyse in der Paarbeziehung geschrieben, aber manchmal muss eben sein, was gerade ist.
ER
Mitunter ist es schon notwendig, die Genesis einer Geschichte bzw. das kuhn’sche Wesen zur subtilen Verteilung von zusätzlichen Arbeitsaufträgen zu kennen. Also, bei uns spielt sich das gelegentlich so ab: Meine Frau putzt den Badezimmerspiegel und murmelt laut (und für mich gut hörbar): „Pfff, das Bettzeug muss ich auch noch überziehen.“ Dann schlichtet sie in der Küche unsere 87 Gewürzdosen und sagt demonstrativ beiläufig: „Sooooo ... und jetzt werde ich dann das Bettzeug machen.“ Zuvor setzt sie sich aber noch an den Computer, um eine
Kolumne zu schreiben, freilich nicht, ohne zwischenzeitlich zu stöhnen: „Jössas, das Bettzeug darf ich nicht vergessen.“ Und irgendwann – zwischen Einkauf und Steuererklärung – nehme ich mir den kleinen Hilfeschrei zu Herzen und biete mich als liebender Überzugbegleiter an. Dann sagt sie: „Echt? Das wäre supertoll“ (und denkt sich: „Na endlich, mir sind schon die Zaunpfähle ausgegangen“).
Herumwurschteln
Also tue ich, was zu tun ist, und fluche absichtlich nicht, als mir bewusst wird, was für ein zeitraubender Aufwand die Schlaflandschaft von gnä Kuhn ist (zwei Decken, ein großer, ein mittelgroßer, ein kleiner Polster). Nach einer gefühlten Stunde des Knöpfelns und Zippens, des Schüttelns und Wurschtelns, des Zupfens und Zipfelns war das Werk vollbracht und niemals wäre es mir den Sinn gekommen, dass es kein gigantisches Lob geben würde. Stattdessen: Hallo, die Überzugecken sind nicht perfekt ausgefüllt. Ich: „Das ist jetzt nicht dein Ernst.“ Sie: „Sorry, aber das geht gar nicht.“ Ich: „Alles klar, ich gehe jetzt mit dem Sandmann auf ein Bier.“
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 3. 10. Vöcklabruck, 4. 10. Salzburg, 6. 10. Tulln, 10. 10. Wr. Neustadt
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