Paaradox: Bastelhit
Sie
Salat, wie geil!: Dass der Mann gegenüber jemals so einen Satz in seinem Leben aussprechen würde, dagegen hätte ich mein gesamtes (und wertvolles) Wildblumensaatgut verwettet. Gut, dass in mir keine Spielernatur wohnt, denn er hat’s tatsächlich getan. Und noch mehr: Er hat meine ersten Salatblätter und das Schnittlauchgrün mit einem zarten Blick bedacht, gelobt und dabei folgenden poetisch-schwärmerischen Satz in die warme Märzluft gehaucht: Wie der Gärtner, so der Garten. Ich dachte natürlich, er meint mich und korrigierte ihn des Genderns wegen: „Gärtnerin muss es heißen, Hase.“ Aber nein, er meinte tatsächlich sich!
Schwärmerei
Da wurde mir klar, dass sein Enthusiasmus für Saat und Salat einen einzigen Grund hatte: er selbst. In der englischen Sprache spricht man vom „Deeply-impressed-from-himself“-Phänomen. Es bedeutet, dass ein Mensch so von sich und seinem Tun entzückt ist, dass er in eine Schwärmerei mit ausgeprägt narzisstischem Touch abgleitet. Das schien hier eindeutig der Fall. Warum? Wohl, weil der gute Mann ein Hochbeet errichtet hat – und das, O-Ton, in stundenlanger, schweißtreibender Drecksarbeit. Dazu bastelte er weiters die herzzerreißende Legende vom Gartenzwerg und Gentleman (beide er).
Dass er das Beet unbedingt fertigbringen wollte, bevor ich von meinem Graz-Wochenende zurückkehren würde. Um mich mit diesem Holz gewordenen Liebesbeweis zu überraschen, von dem er nun Schwielen an Hand, Herz und Hirn hätte (weil die Zusammenbau-Anleitung total zum Schmeißen war – wer bitte soll das verstehen?). Da stand er also, mit stolzgeschwellter Bastlerbrust, einem Bier in der Hand und fand ein Grünzeug genial, das niemals seine Lippen berühren würde. Offenbar war er sehr von sich selbst berauscht. Seine Salat-Ekstase verging in jenem Moment, als ich ihm vorschlug, ein Hochbeet-Einweihungsfest mit 150 VIP-Gästen zu zelebrieren und es vom Papst segnen zu lassen.
eMail: gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
Er
Das Gute am Basteln in Einsamkeit ist, dass niemand da ist, der fragt: Glaubst du, vom Fluchen wird’s schneller fertig? Und: Soll ich’s mir mal anschauen? Und: Nur ungefähr, wie lange wirst du noch brauchen? Alle drei Ahnfrauen in Gestalt einer gnä Kuhn haben sich zu einem Seminarwochenende verabschiedet (Thema war, glaube ich, „Der Salat in mir“). Und so stand lediglich Herr Gustav im Weg herum. Aber erstens tut der das kommentarlos, und zweitens reagiert er im Unterschied zu meiner Frau darauf, wenn ich sage: „Geh’ auf deinen Platz!“ Ich hatte jedenfalls versprochen, ein von ihr bestelltes Hochbeet zu errichten. Und dabei verdrängt, dass der Begriff Kavalier vom lateinischen caballarius abgeleitet wird – der Pferdeknecht.
Fix und fertig
In diesem Sinn kann man auch seit über 50 Jahren Hufnagl heißen, ich war bereits beim Auspacken der gefühlt 148 Einzelteile nahe dran, die Mission abzubrechen – wer bitte denkt sich solche Verschachtelungen aus? Danach verteilte ich Unmengen von Holz übers Wohnzimmer – akribisch sortiert, wie es mich die Knechtschaft im Möbelbauleben gelehrt hat. Und während meine Seminaristin vermutlich gerade in der Gruppe einen transformativen Chicorée-Tanz mit bewusstseinserweiterndem Endivien-Hüpfen inszenierte, stieß ich als Beet-Athlet an meine Grenzen.
Was auch daran lag, dass die Anleitung auf einer einzigen Seite skizziert war – nach dem Motto: Wir sparen Papier, wenn wir sieben von zehn Montageschritten als Selbstverständnis eines Heimwerkers voraussetzen. Was nach etwa einer Stunde zu der Erkenntnis führte, dass ich bereits zu Beginn einen fatalen Konstruktionsfehler begangen hatte. Irgendwann aber waren das Beet und ich fix und fertig. Und als Signora Lollo Rosso heimkam, sah sie das Meisterwerk und rief: Jööö! Einfach nur Jööö! Kein Du Zauberer oder Du Held oder Du Genie. In meiner Geisteswelt habe ich Anderes erwartet. Ich fürchte, ich muss anfangen, Kopfsalat zu essen.
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