Ode an das Warten
Zwei Minuten und 40 Sekunden – so lange warten Österreicher durchschnittlich an einer Supermarktkassa. 25 Stunden verbringen Autofahrer hierzulande jährlich im Stau. Dafür muss man aber eh dankbar sein, denn 2005 waren es noch 121 Stunden und in Los Angeles stehen Autofahrer noch immer durchschnittlich 104 Stunden pro Jahr im Stau. Das sind 4,3 Tage – also immerhin ein verlängertes Wochenende.
So schlimm ist es bei uns also eh gar nicht. Trotzdem gibt es diese typischen Supermarkt-Ansteller und Im-Stau-Steher. Die, die als erste „Zweite-Kasse-bitte!“ plärren und dann drei Stunden beim Bezahlen brauchen, weil sie ihr gesamtes Kleingeld, das sie seit dem Weltspartag gehortet haben, nun der Kassierin in die Hand drücken. Und ich vermute, dass die eben Beschriebenen dieselben sind, die beim Autofahren das Reißverschlusssystem partout nicht anwenden wollen, stattdessen nach vorne zischen und sich dann reindrängeln, weil sie der Meinung sind, zwei Autolängen weiter vorne steht es sich besser.
Dabei kann Warten so befreiend sein. Wann sonst kann man jemanden besser festnageln, als wenn man im Stau steht? Das nächste Urlaubsziel fixieren, der besten Freundin endlich sagen, dass man aus der gemeinsamen WG ausziehen will, dem Partner mitteilen, dass man sich vor den Kindern lieber zuerst einen Hund anschaffen will. Kein anderer Ort eignet sich so gut dafür, etwas auszudiskutieren, wie ein Auto, das nicht weiterkommt.
Und dann die zwei Stunden, die man gemeinhin in einem Arzt-Wartezimmer versitzt: Sie haben nie Der Prozess, Ulysses oder Der Mann ohne Eigenschaften gelesen, wollten aber immer? Das ist ihre Chance!
Auch für die Zwei-Minuten-40 an der Supermarktkasse gibt es Abhilfe: Man kann in aller Ruhe darüber nachdenken, was man nächste Woche kochen will, ob man sich den Zahnarzttermin eh ausgemacht hat. Und im besten Fall schaut man jenen, die sich ärgern, weil sie Zwei-Minuten-40 in ihrem Leben verlieren, einfach nur zu. Und grinst ein bisschen.
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