Chaos de Luxe: Zu viel „Modern Family” gesehen.
Das Kind hat jetzt so einen Jetset-Job, wo es mehrfach die Woche durch Europas Metropolen tollt. Es hat mir jahrhundertelangen Liebesentzug angedroht, wenn ich nur ein Fünkchen darüber schreibe, also halte ich mich (fast) daran. In jedem Fall sehe ich meine Oma-Chancen bei ihrem aktuellen Beruf auf Kichererbsen-Format schrumpfen. Ich habe gar nichts anzubieten, wenn meine Granny-Freundinnen stolz iPhone-Fotoshows von den Next-Generation-Fortpflänzchen herumreichen: keine Latifundien, mit denen man prahlen könnte, nicht einmal einen degenerierten Hund, der in der Dressurschule alle Trophäen abräumt. Dabei wäre ich mehr als bereit, Miniatur-Stellchen haltlos mit Konsum und Zuckerwatte zu versauen. Wenn ich der Jetset-Biene, formerly known as Lebensinhalt, diesbezüglich etwas Melancholie rüberschubse, sagt sie: „Chill dein Leben! Mein BFF (Anm.: best friend forever, selbstverständlich schwul) und ich haben uns schon über künstliche Befruchtungsprozesse unterhalten. Wir wollen Zwillinge. Sie werden, damit du dich schon jetzt freust, Polly und Otis heißen.“ – „Bitte, ich möchte aber keinen Enkel, der wie eine Aufzugsfirma heißt. Es ist doch voll hip nach der Ruben-Elias-Elektra-Phase, dass Kinder wieder ganz normal heißen: Susi, Franzi, Fritzi ... so was in der Art. Und bitte vergiss nicht, dass du auch schon auf den Dreißiger zugaloppierst. Aber vielleicht gibt es ja dann einen netten Mann in deinem Leben und du machst es ganz klassisch.“ Das Kind, das sich in den letzten Jahren zu viele Episoden der TV-Serie „Modern Family“ reingezogen hat, artikuliert jetzt seine Enttäuschung über eine Vollspießer-Mutter und weist mich dann streng darauf hin, dass ich am Versuch, ein idyllisches Kernfamilien-Projekt in meinem Leben zu implantieren, mit Karacho gescheitert bin. Den Einwand, dass ich es zumindest versucht habe, lässt es nicht gelten. Kinder sind doch angeblich diese Wesen, die soviel zurück geben.
Pollys „Nymphen in Not“ am 3. Oktober im Wiener Rabenhoftheater. polly.adler@kurier.at
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