„Mein Sohn hat lauter Fünfer“: Aida Loos hilft Müttern weiter

Auf der Couch mit Aida Loos: Die Kabarettistin lädt zur satirischen Therapiestunde. Thema: das veraltete Schulsystem.
Aida Loos

Aida Loos

„Mein Sohn hat lauter Fünfer.“

Ach, wie erfrischend! Lauter Fünfer. Da hat Ihr Sohn ja offenbar begriffen, was ihm die Schule beibringen sollte: Konsequenz. Mal versagen Kinder, mal haben sie Glück. Ihr Sohn aber hat überall Pech. Oder kein Interesse. Was im Grunde dasselbe ist. Wissen Sie, Fünfer bilden Charakter. Einser bilden Überheblichkeit.

Sie nehmen das aber persönlich? Ja was denn sonst? Geschäftlich? Ihr Sohn trägt Ihren Nachnamen zur Schule wie eine genetische Visitenkarte, und jeder einzelne Fetzen ist ein Dolch in Ihre mütterliche Selbstachtung. Fünf, Fünf, Fünf. Das ist ein Rhythmus, der sagt: Ich habe versagt, versagt, versagt. Das ist schon fast musikalisch. Ein Kammerton des Scheiterns, denn so steht es im Mutterhandbuch geschrieben, nicht wahr? Paragraph drei, direkt nach „nicht in der Öffentlichkeit stillen“ und „nach der Geburt schnell in die alte Form zurückfinden“.

Dabei ist Ihr Sohn gar nicht das Problem 

Das österreichische Schulsystem ist das Problem. Ein Relikt aus einer Zeit, als die Monarchie noch Zukunft hatte, Menschen mit Feder schrieben und Bildung bedeutete: brav sein, still sitzen, gehorchen. Es bildet nicht aus, es dressiert.

Das Curriculum ist ein Lehrplan für zukünftige Untertanen, die auf eine Karriere als k.u.k. Beamter vorbereitet werden. Dabei schreiben wir 2025. Alle wissen das, nur nicht das Bildungsministerium. Die warten vermutlich noch auf ein kaiserliches Dekret.

Und die Lehrerinnen und Lehrer, diese ausgebrannten Seelen, stehen vor einer Klasse, lehren Dinge, die man in Sekundenschnelle googeln kann, und fragen sich:

„Warum sind diese Akne-Gfraster so unmotiviert?“

Vielleicht, weil ihr ihnen die Bauanleitung für eine Pferdekutsche gebt, während draußen Teslas vorbeifahren?

Zurück zu Ihnen. Zu Ihrer gekränkten Eitelkeit. Sie dachten, ein Kind zu bekommen wäre wie ein Bild zu malen – man hat die Kontrolle über jedes Detail. Aber Kinder sind kein Gemälde. Sie sind höchstens Zufallskunst. Abstrakt und unvorhersehbar, und meistens versteht man nicht, was das soll. Ihr Sohn ist nicht Ihr Kunstwerk, er ist bestenfalls Ihre Karikatur. Sie haben Astrid Lindgren und Maria Montessori gekreuzt und gehofft, dass dabei ein kleiner Goethe herauskommt.

Stattdessen haben Sie Ihren Sohn bekommen, der Fünfer sammelt wie andere Rabattmarkerln. Jetzt gehen Sie auf Sprechtage, wo sich Eltern gegenseitig die Erfolge ihrer Kinder um die Ohren hauen wie Gladiatoren im Kolosseum und vergleichen sich mit der einen Mutter, deren Tochter „hochbegabt“ ist – was heute jeder ist, der bis drei zählen kann, ohne die Finger zu benutzen. Dabei fragen Sie sich:

Was habe ich falsch gemacht?

War es der Kaiserschnitt? Das Plastikspielzeug? Die Kuhmilch im ersten Jahr? Nein. 

Die Antwort ist viel banaler: Ihr Sohn hat einfach keine Lust und ist vollkommen inkompatibel mit dem 19. Jahrhundert. Hören Sie also auf, seine Fünfer persönlich zu nehmen. Sie sind nicht Ihr Versagen, genauso wie ein Einser nicht Ihr Verdienst wäre. Ihr Sohn ist nicht die Korrektur Ihrer eigenen Biografie. Es sind seine Noten. Er muss damit leben, nicht Sie. Sie müssen nur damit leben, dass Sie einen Sohn haben, der damit leben muss. Das ist ein Unterschied. Ein wichtiger.

So, das macht dann 250 Euro. Zahlen Sie bitte in bar. Ich akzeptiere auch lauter Fünfer.

Aida Loos ist mit „Zeitloos“ auf Tour z. B. am 18. 1. 2026 in Wien/Kulisse.

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