„Ich habe den Herbstblues“: Aida Loos hilft weiter

Auf der Couch mit Aida Loos. Die Kabarettistin lädt zur satirischen Therapiestunde. Thema: Depression mit Kürbis.
Aida Loos

Aida Loos

Wer nicht? Der Herbst ist schließlich die einzige Jahreszeit, in der Verfall als ästhetisch gilt. Stellen Sie sich vor, wir würden so mit Menschen umgehen. „Schau mal, Tante Helga wird braun und fällt bald ab – wie malerisch!“

Was trinken Sie da? Einen Pumpkin Spice Latte? 

Natürlich, man kann ja nicht einfach so depressiv sein, man braucht schon das richtige Getränk dazu. Wussten Sie, dass da kein Stück Kürbis drinnen ist? Es ist Zimt, Muskat, Nelke und die Verzweiflung eines Baristas, ob er mit seinem Philosophiestudium jemals Geld verdienen wird, aufgeschäumt zu etwas, das schmeckt wie Weihnachten, aber im September kommt, weil der Kapitalismus keine Geduld hat. Sie trinken also eine Lüge, die nach Kerzen riecht und mehr kostet als ein Kinoticket. Und jetzt fragen Sie sich, warum Sie depressiv sind. Sie trinken quasi Duftöl und wundern sich, warum Sie nicht duften.

Wissen Sie, was Sie eigentlich deprimiert? Nicht die Blätter, die fallen. Ihr Problem ist, dass Sie mitfallen wollen, weil der Herbst Sie daran erinnert, dass das Jahr zu drei Viertel vorbei ist, und Sie weder mit Pilates angefangen, noch Italienisch gelernt haben. Das ist kein Blues, das ist eine Blamage.

Doch, ich verstehe Sie sehr wohl. Der Herbst ist schließlich auch die Jahreszeit, in der wir so tun müssen, als hätten wir tiefe Gefühle für Dinge, die uns eigentlich egal sind: Maroni, Grabkerzen, die Farbe Orange.

Was ich Ihnen rate? Ignorieren Sie den Herbst. Leugnen Sie ihn! Sagen Sie konsequent: „Welcher Herbst? Ich sehe keinen Herbst!“

Verweigern Sie die ganze Kürbis-Obsession!

Plötzlich vergöttern alle ein Gemüse, das aussieht wie eine übergewichtige Orange mit Depressionen und klingt wie ein Pokémon: Hokkaido. Trotzdem ist er überall. In der Suppe, als Dekoration, als Geschmacksrichtung. Bei Gott: Ich habe im Drogeriemarkt Kondome mit Kürbisgeschmack gesehen. Als wäre Sex nicht kompliziert genug, muss er jetzt auch noch nach Kürbis schmecken. Man kauft gleich zehn davon. Nein, nicht von den Kondomen, von den Kürbissen, die aber genauso verrotten, weil man sie nur zum Anschauen kauft. Als ob der Kürbis einem irgendwas Spannendes zu sagen hätte. Essen als Dekoration. Man hängt sich ja auch nicht im Juli die Knackwurst an die Wand und sagt: „Schau, wie sommerlich!“

Trinken Sie auch ja keinen Sturm! Dieser gärende Traubensaft, der schmeckt wie eine Entschuldigung dafür, dass der Wein noch nicht fertig ist. Sturm ist Wein in der Pubertät: unreif und macht nur Probleme. Trinken Sie ihn nicht! 

Essen Sie auch keine Maroni! 

Die Hälfte wird verdorben sein und die andere Hälfte nach feuchtem Karton schmecken. Und wenn der November kommt, dieser Monat, für den sich selbst der Herbst schämt, dürfen Sie ja nicht schwächeln! Behaaren Sie erst recht darauf, dass es Juli ist und verkleiden Sie sich als Sonnenblume, oder wollen Sie jeden Tag aufwachen und sich denken: „Warum?“ Keine konkrete Frage, nur: „Warum?“ Eben.

Doch, doch, ich nehme Sie sogar sehr ernst. Sie glauben nur, Jahreszeiten schulden Ihnen etwas, aber sie schulden Ihnen nichts. Sie passieren einfach. Und Sie? Sie nehmen das persönlich. Nicht der Herbst ist Ihr Problem. Sie sind Ihr Problem. Sie sind bereits traurig, und zufälligerweise ist Oktober. So, die Zeit ist um. Das macht dann 280 Euro bitte. Ja, ich bin teurer geworden, aber die Inflation fällt leider nicht mit den Blättern.

Aida Loos ist ab Herbst mit „Zeitloos“ auf Tour, 16. 10. Kulisse Wien.

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