Kralicek geht essen: Gast und Wirt
Das Verhältnis zwischen Gast und Wirt ist speziell. Einerseits handelt es sich um eine ganz normale Geschäftsbeziehung: Einer bezahlt, der andere gibt ihm etwas dafür. Andererseits geht es nicht nur um schnöde Waren, sondern auch um echte Gefühle. Und da wird’s, das weiß man ja, kompliziert. Gemeint ist damit nicht, dass die Qualität von Essen immer auch, tja, Geschmacksache ist. Viel entscheidender ist, dass zwischenmenschlich die Chemie stimmt. Wenn’s einmal nicht so schmeckt, wie wir uns das vorgestellt haben, tolerieren wir das meistens – und bestellen beim nächsten Mal eben was anderes. Aber wenn die Kellnerin hantig oder der Wirt arrogant ist, gehen wir da eher nicht mehr hin.
In der Wolf-Haas-Verfilmung „Der Knochenmann“ gibt es einen Dialog zwischen Josef Hader (Gast) und Josef Bierbichler (Wirt), der das prekäre Verhältnis auf den Punkt bringt.
Gast (sarkastisch): Bei Ihnen ist der Gast noch richtig König, oder?
Wirt (trocken): Wir san ka Gasthaus, wir san a Wirtshaus.
Im Kino ist das ein Brüller, in der Realität ziehen wir dann aber doch das Gasthaus vor. Der Wirt sollte uns zumindest glaubhaft das Gefühl vermitteln, willkommen zu sein. Gute Vibes sind mindestens so wichtig wie eine gute Küche. Niemand mag es, schlecht behandelt zu werden; schon gar nicht an einem Ort, den man eigentlich aufsucht, um sich etwas Gutes zu tun.
So ist es zum Beispiel auch nur ein Mythos, dass ein echtes Wiener Kaffeehaus nur dann authentisch ist, wenn es dort möglichst grantige Ober gibt. So was können sich weder die Kaffeehäuser noch die Ober leisten. Haben wir uns den grantigen Kellner also nur eingebildet? Nein, den gab’s natürlich schon.
Aber er war nicht wirklich unfreundlich, sondern Teil eines sehr wienerischen Rollenspiels, das Stammgäste lustvoll mitspielten; die Qualität eines Obers wurde auch daran bemessen, wie gewandt er das ritualisierte Gefrotzel beherrschte. Doch anscheinend wird das Rollenfach „grantiger Wiener Ober“ in der Kellnerlehre nicht mehr unterrichtet, weshalb auch die damit verbundene Art von Schmähführen weitgehend ausgestorben ist. Wenn einem heute noch ein unfreundlicher Kellner unterkommt, dann ist er in der Regel kein begnadeter Selbstdarsteller, sondern tatsächlich nur unfreundlich, Schmäh ohne.
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