Keine Angst

"ÜberLeben": Über Angststörungen und über Mut.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

In der Apotheke ist es herrlich kühl und  es riecht nach „belebenden Essenzen“ (die Apotheke gibt sich ein wenig esoterisch, das mögen die Leute  jetzt). Außer mir ist kein Kunde da, der Apothekerin ist fad, sie hat eine charmante tirolerische Sprachfärbungch, also plaudern wir ein wenig in die kühle Essenzenluft hinein.

Und irgendwie kommen wir auf das Thema Angststörungen. „Sie glauben nicht, wie viele Menschen, denen man es nie ansehen würde, so etwas haben“, sagt die Apothekerin. Doch, glaube ich. Ich kenne einen erfolgreichen Musiker, der bekommt manchmal so schlimme Panikattacken, dass er sich auf den Boden setzen und ein bisschen weinen muss. Und ich kenne zwei Kabarettisten, die ohne Beruhigungspulver nicht auf die Bühne können. „Der Meinige hat auch Angststörungen“, mischt sich die zweite Apothekerin ein. „Und er steht dazu. Manche Leute lachen über ihn, aber das sind Idioten.“

Ich trete hinaus in die herrliche Hitze (ich mag Hitze und ich mag Kühle, alles zu seiner Zeit). Es ist ein großartiger Sommer, ein Sonnensommer, wie ich ihn liebe. Er ist heiß und manchmal brennt er, man kann die Spannung spüren, wenn die Gewitter aufziehen, es duftet nach Neusiedler See (wenn die Windrichtung stimmt), nach Regentropfen auf heißem Asphalt und nach Abenteuer und Überraschungen.

Und es ist der erste Sommer völlig ohne Angst seit Langem.

Angststörungen können jeden erwischen. Oft gibt es Auslöser, etwa den Tod eines Freundes, die Krankheit eines lieben Menschen, ein berufliches Projekt zu viel – oft kommen sie auch einfach so, wie ungebetene Gäste, die nicht mehr gehen wollen.

Angststörungen kann man behandeln, und das Gefühl, wenn sie weg sind, ist unbeschreiblich. Menschen, die sich zu ihren Angststörungen bekennen, sind keine Schwächlinge. Im Gegenteil: Sie sind stark und mutig. Napoleon soll einmal gesagt haben: Wer keine Angst kennt, kann auch nicht mutig sein.

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