(K)ein Fußballfest wie damals

Die Luft für das aktuelle Fußball-Großereignis scheint aber irgendwie draußen zu sein.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Juni, Sommersemester 2008, früher Donnerstagabend. Im Audi Max, dem größten Hörsaal der Uni Wien, schwirrten Studenten und Studentinnen mit schwarz-rot-goldenen Blumenketten um den Hals und rot-weiß-roten Herzen auf den Wangen herum. Manche hatten sich – ganz Völker verbindend – auch auf die eine Wange ein rot-weiß-rotes Herz gemalt, auf die andere ein schwarz-rot-goldenes. Und mittendrin stand Professor Hannes Haas in seiner Medienkunde- Vorlesung.

Seinen trockenen Humor ließ man sich auch bei Heim-EM samt Córdoba-Gedächtnis-Spiel nicht einfach so entgehen. Da konnte das Dosenbier vor der Fanmeile (drinnen tranken wir nur eines, wenn unsere Studienkolleginnen, die in der Fanzone jobbten, eines spendierten) auch einmal warten. 2008 saßen wir wenig auf der Uni, starrten dafür ständig irgendwo auf Leinwände. In allen Studenten-WGs wurden Fußballabende abgehalten, und wenn Österreich spielte, gingen wir in die Fanmeile.

Die Luft für das aktuelle Fußball-Großereignis scheint aber irgendwie draußen zu sein. Wo ist die vorfreudige Jubelstimmung, die sich sonst schon Wochen vorher einstellt? Wo sind die Absagen für alles andere außer Fußballabende? Liegt es daran, dass sich Österreich (das sind wir doch von früher gewohnt?) und Irland (mit ihren tollsten Fans) nicht qualifiziert haben? Am Austragungsort, der für viele gar nicht geht? Oder an Unsäglichkeiten im Vorfeld – wie Özils und Gündoğans Treffen mit Erdoğan oder dem Champions League-Finale der Unsportlichkeiten?

Sogar geheiratet wird heuer während der WM – ohne Fernsehangebot! Das hätt es früher nicht gegeben. Aber früher war halt alles besser. Die Luft, das Wetter und auch die Fußballgroßereignisse. Vielleicht kommt die Stimmung später nach (die Isländer haben ja schon mal 1:1 gespielt, ju-hu!) Vielleicht sind wir auch einfach älter geworden und haben jetzt anderes zu tun. Arbeiten zum Beispiel. Hannes Haas hat uns übrigens an dem Donnerstag vor zehn Jahren früher gehen lassen.

julia.schrenk@kurier.at

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