Liebe Frau F., seit 2009 hat jeder Ehegatte dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen. Durch diese Bestimmung sollte die Situation von Patchworkfamilien deutlich verbessert werden. § 90 Abs 3 ABGB betont damit die stiefelterliche Verantwortung in Patchworkfamilien und stellt klar, dass einerseits Ehegatten nicht nur Verantwortung für die gemeinsamen Kinder haben, sondern auch den Partner unterstützen müssen, damit dieser seinen Obsorgeaufgaben bestmöglich gegenüber den in die Ehe mitgebrachten Kindern nachkommen kann.
Soweit die Umstände es erfordern, kann Ihr Mann Sie daher schon jetzt in den Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens Ihrer Tochter vertreten. Gemeint sind hier häufig vorkommende Angelegenheiten, beispielsweise das Schreiben einer Entschuldigung für den Turnunterricht, Abholungen oder auch die Begleitung zum Arztbesuch.
Seit 2013 hat dieses Vertretungsrecht in Angelegenheiten des täglichen Lebens übrigens nicht mehr nur der Ehegatte des obsorgeberechtigten Elternteils, sondern auch der Lebensgefährte des Elternteils. Dieses Vertretungsrecht von Stiefeltern in Patchworkfamilien besteht unabhängig davon, ob für das Kind eine gemeinsame Obsorge beider leiblichen Eltern besteht, oder, wie in Ihrem Fall, eine Alleinobsorge.
Die von Ihrer Tochter gewünschte gemeinsame Obsorge ihrer Mutter und ihres Stiefvaters ist jedoch nicht möglich. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge besteht weiterhin nur zwischen leiblichen Eltern. Die gemeinsame Obsorge eines leiblichen Elternteils und eines Stiefelternteils sieht das Gesetz nicht vor. Dies unabhängig davon, ob bereits eine gemeinsame Obsorge beider leiblicher Eltern besteht, oder nur ein leiblicher Elternteil die alleinige Obsorge ausübt. Auch ein derzeit nicht mit der Obsorge betrauter Elternteil könnte ja auch später einen Antrag auf gemeinsame Obsorge stellen, wodurch es dann zu einer gemeinsamen Obsorge von drei Personen käme. Die gemeinsame Obsorge von drei Personen sieht das Gesetz aber ausdrücklich nicht vor.
Im Falle Ihres Ablebens kann ein Gericht aber Ihren Mann mit der Obsorge für Ihre Tochter betrauen. Neben Ihrem Mann kämen zwar noch der leibliche Vater oder etwa auch Großeltern als Obsorgeberechtigte in Betracht. Dem Stiefelternteil, zu dem bereits bisher eine enge Verbundenheit bestand, ist aber der Vorzug vor dem leiblichen Vater, zu dem nur ein loser oder – wie in Ihrem Fall – gar kein Kontakt bestand, zu geben.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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