Johannas Fest: Über Geld spricht man nicht
Wir wissen es nicht nur aus den Nachrichten: Die enormen Preissteigerungen sind mittlerweile auch beim gehobenen Mittelstand ein Thema. Bei Clara, meiner mit einem hohen vierstelligen Nettogehalt bestverdienenden Bekannten, floss früher auch alltags der Champagner, als käme er aus dem Wasserhahn, und zum Knabbern gab es Käsegebäck aus der k. u. k. Hofzuckerbäckerei Demel. Jetzt serviert die geschiedene Mutter einer Tochter Prosecco zu Brot mit Olivenöl. Susanne und Markus verzichten auf ihren Winter-Urlaub in der Karibik. Meine Gourmetfreunde Nikolaus und Stefan fragten nun an, ob wir einer Einladung zu ihnen nach Hause zu einem Kartoffelgulasch folgen würden. – Wir würden diese sogar mit Begeisterung annehmen, lautete unsere Antwort. Warum haben wir Hemmungen, Freunde zu einem Krautfleckerl-, Pasta-, oder Gröstlgericht zu bitten? – Weil Wertschätzung mit der Höhe der Kosten gleichgesetzt wird?
Feste hat es immer gegeben, auch in Krisenzeiten.
Die Einladung zum Abendessen in den privaten vier Wänden ist ein fester Bestandteil unserer Kultur und ist eine Keimzelle der Zivilgesellschaft. Jemanden zu sich nach Hause zu bitten, ist die soziale Geste mit dem höchsten Stellenwert. Es gibt keinen besseren Rahmen für die genussvolle und geistreiche Geselligkeit. Feste hat es immer gegeben, auch in Krisenzeiten. Und wir sollten uns diesen Teil unseres Gesellschaftslebens auch dann nicht nehmen lassen, wenn notgedrungen Schmalhans Küchenmeister ist. Hauptsache man kommt zusammen! Das geht auch bei Butterbrot mit Schnittlauch. Schließlich muss es nicht immer Kaviar sein. Einen Offenbarungseid müssen die Gastgeber nicht leisten. Es reicht der Wahlspruch meiner Namensvetterin Johanna: „Über Geld spricht man nicht. – Man hat es nicht!“
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