Johannas Fest: Aphrodisiaka und Valentinstag
„Und, wohin wirst Du mich ausführen am 14. Februar?“, scherzte ich vergangenen Dienstag. „Wieso, was ist da?“, reagierte mein Mann mit einer Gegenfrage. „Na, Valentinstag!!!!“ Über seine fundamentalistische Oppositionshaltung gegenüber diesem „aus den USA importierten Kommerz-Terror“, so der Göttergatte im O-Ton, hatte er ganz vergessen, dass bei uns voraussichtlich bis nach Ostern ohnehin keine Lokale geöffnet sein werden.
Damit, dass das Valentinstags-Brauchtum wie etwa auch die Halloween-Partys aus den USA nach Europa importiert worden seien, hat mein Mann gleichzeitig recht und auch nicht. Verkürzt erklärt: Der Gedenktag des heiligen Valentinus am 14. Februar wurde von Papst Gelasius (Pontifikat von 492 bis 496) für die ganze Kirche eingeführt. Bischof Valentin von Terni soll zahlreiche Liebespaare, denen die Heirat auf Befehl des Kaisers wegen ihres unterschiedlichen Standes verwehrt war, getraut und sie anschließend mit Blumen aus seinem Garten beschenkt haben.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich in England der Brauch, dass Liebende einander Blumen und Süßigkeiten schenkten und Grußkarten („Valentines“) schickten. Im 19. Jahrhundert importierten Auswanderer ihre Traditionen auch in die Vereinigten Staaten Amerikas. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Valentinstag in Europa durch in Deutschland stationierte US-Soldaten wieder an Bedeutung als Tag der Liebe, an dem in Blumen, Schokolade und mit zunehmendem Wohlstand in gemeinsame Erlebnisse wie „Fine Dining“ und Kurzreisen investiert wurde.
Lust & Liebe
Letzteres ist derzeit nicht möglich. Aber Liebe geht auch im häuslichen Umfeld durch den Magen und wo die Liebe den Tisch deckt, schmeckt das Essen am besten, wissen die in Sachen „Savoir-vivre“ führenden Franzosen.
Nicht selten kommen dabei essbare Aphrodisiaka (benannt nach Aphrodite, der Göttin der Liebe, Schönheit und besinnlichen Begierde) auf den Tisch.
Dazu gehören zum Beispiel Artischocken, Austern, Hummer, Spargel, Muscheln, Trüffeln und Erdbeeren. Sie sollen unsere Lust durch ihren Geruch, ihren Geschmack und ihr Aussehen steigern, indem sie auf das limbische System im Gehirn, wo auch Endorphine ausgeschüttet und Emotionen ausgelöst werden, wirken.
Speziell der Auster wird nachgesagt, dass sie Männer potent und Frauen schwach macht. An diese kulinarischen Verführungskünstler glaubten schon historische Größen wie zum Beispiel der französische Richter und Schriftsteller Jean Anthèlme Brillat-Savarin („Die Physiologie des Geschmacks“), Englands König Ludwig XIV. und der venezianische Abenteurer Giacomo Casanova, der sich nach eigenen Angaben täglich fünfzig Stück der Königinnen des Meeres einverleibt haben soll.
Wie ich den heutigen Abend mit meinem „Valentinstagsverweigerer“ verbringen werde?
Das Tischtuch und die Servietten sind gestärkt, Champagner und Kerzenlicht vorrätig und Blumen kann man ja seit einer Woche wieder bei Floristen erwerben. Ein mit Liebe gekochtes „Fine Dining“ daheim steht auf dem Programm. Wenn wir derzeit schon nicht die von Reinhard Mey 1974 besungene „grenzenlose Freiheit über den Wolken“ spüren können, folgen wir einem ortsunabhängigen Credo: „Die Welt gehört dem, der sie genießt“, konstatierte der italienische Dichter Giacomo Leopardi (1798 bis 1837). Passt – und das nicht nur am Valentinstag!
Kommentare