In Zeiten wie diesen
Nichts ist unumstritten.
Da behaupteten wir zuletzt, die U6 sei die unbeliebteste U-Bahn der Stadt, weswegen wir zu ihrer Verteidigung antreten müssten.
Mehr haben wir nicht gebraucht.
Kollege G. klärte auf: Die angebliche Unbeliebtheit der U6 sei ein abgelutschtes Klischee. Kollege T. sprang ihm bei. Er fahre durchaus gern mit der U6.
Da haben die beiden nicht mit Leserin Eva K. gerechnet. Sie findet die U6 „grässlich“.
Frau V. und Frau D. wiederum lobten unsere Hymne auf die ehemalige Stadtbahn und Herr L. schrieb, es täte gut, solches in Zeiten wie diesen zu lesen. Er schrieb außerdem, er arbeite seit zehn Jahren in Wien, kenne die U6 aber noch nicht und werde dies alsbald nachholen.
Nach Lektüre dieser Zeilen holten wir im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten kurz Luft. Wir ringen nun mit uns selbst und fragen: Was tun? Immer öfter werden wir dieser Tage mit der Frage konfrontiert, ob man denn in Zeiten wie diesen auch lachen dürfe. Analog dazu fragen wir: Darf man in Zeiten wie diesen auch raunzen? Sollen wir Herrn L. aufklären, dass die U6 zwar ihre durchaus pittoresken Seiten hat, aber vergleichsweise wenig Bukolik à la Ringstraßenbahn mit blühenden Rosen im Volksgarten zu bieten hat?
Und sollen wir ihm sagen, dass auch Teile des Redaktionskomitees nicht immer gerne mit der U6 fahren – ebenso wenig mit der U4 (müssen wir trotzdem täglich), der U3 (wer will schon nach Erdberg) oder gar der U1, denn die hat, wie man weiß, olfaktorische Herausforderungen? Sollen wir zugeben, dass wir am liebsten gar nicht mit den bummvollen Öffis fahren, sondern den ganzen Tag in unserer Villa in der italienischen Schweiz auf den Luganer See hinausstarren würden?
Doch das führte wohl zu weit. Und Luganer See hin oder her, die Alte Donau ist ein emotionales Zuhause. Der Bisamberg, der Wasserpark, der Birner, das Angelibad, die Boote, die Enten. Am schönsten in der Abendsonne, gut von der U6 aus zu betrachten.
Verzeihen Sie, falls Ihnen das jetzt bekannt vorkommt.
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