Gemma Baustelle schau’n

Baustellen, wohin man schaut. Ob die Stadt nachher besser ausschaut, ist fraglich. Aber immerhin, für manche ist Baustelle schauen ein schönes Hobby
Barbara Beer

Barbara Beer

Die Wien-Liebe wird mitunter auf die Probe gestellt. An grauen Tagen lassen sich einzelne Mitglieder des Redaktionskomitees der Wiener Ansichten  zu Gedanken wie diesen hinreißen: Wien wird immer schircher. Biedermeier und  Gründerzeit wird, wohin man schaut, durch Neubauten mit Schuhschachtelflair ersetzt.
Die Initiative Denkmalschutz, ein gemeinnütziger Verein, der sich für den Erhalt gefährdeter Kulturgüter einsetzt, berichtet unermüdlich vom Versagen der Wiener Altstadterhaltung. Immer wieder gelingt es „Immobilienentwicklern“, dort abzureißen, wo man es für unmöglich gehalten hätte. Dieser Tage etwa ging  der 2018 begonnene Abriss des 170 Jahre alten Hauses Ecke Radetzkystraße beim Donaukanal in die nächste Runde. Und das, obwohl noch Lichter drin brannten. Warum das Haus nicht gerettet wurde? Die Sache ist komplex. Mit privaten Gutachten lässt sich jedenfalls so manches für „abbruchreif“ erklären.  Dafür, dass so viele Altbauten abgerissen werden, wird außerdem immer wieder der  Mietdeckel verantwortlich gemacht. Stimmt schon, aber dazu kommt: Neubauten ermöglichen mehr Geschoße und somit mehr Einnahmen. Was, glauben Sie, macht also ein „Immobilienentwickler“, wenn er ein altes Haus kauft?   
Bei uns um Eck wird auch neu gebaut. Was es wird, lässt sich noch nicht genau sagen. Auf Renderings schaut ja alles super aus. Selbst Autobahnen bekommen da eine Anmutung von Prater Hauptallee.   
Unsere  Baustelle ist nicht spektakulär, zieht aber trotzdem Schaulustige an. Baustelle schauen ist in Italien übrigens so weit verbreitet, dass es dafür einen eigenen Ausdruck gibt: „Umarell“: Laut   Wörterbuch „ein an Baustellen herumtigernder Pensionist, der, meist mit den Händen auf dem Rücken, kontrolliert, Fragen stellt, Empfehlungen gibt und die  stattfindenden Arbeiten kritisiert. Das Wort stammt aus  dem bolognesischen Dialekt, „omarello“ – Männchen.
Sehen Sie, jetzt haben wir beim Thema Baustelle doch noch was zum Schmunzeln gehabt.

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