Flaschenpost: Ein süßer Weltschmerz im Portwein-Style
Bittere Tränen, Herz im Gefängnis, Liebe und Leiden – davon singt Amália Rodrigues in einem typischen Fado-Lied. Sie umschreibt das Gefühl „Saudade“. Das heißt Sehnsucht auf Portugiesisch. Aber nicht nur. Wenn wir wehmütig an Vergangenes denken, in Melancholie versinken, in Fernweh schwelgen, dann ist das mit diesem Wort gesagt. Wir wollen unsere Freunde einladen, wir möchten schick essen gehen. Wir vermissen Spontanität. Ach, das waren noch Zeiten!
„Saudade“ ist immer auch ein bisschen Seufzen und Sudern. Gemeinsam mit dem Kummerspeck, dem Kabelsalat oder der schwedischen „fika“, also einer Kaffeepause (alles nicht unbekannt in Lockdown-Zeiten), steht „Saudade“ auf der Liste der schwerübersetzbaren Wörter. Vielleicht lässt sich Sprache nicht mit Sprache erklären, aber in Wein übersetzen?
Die Winzerin Dorli Muhr produziert einen Wein namens „Saudade“ im Portwein-Style: Für die schnelle Gärung werden die Blaufränkisch-Trauben fußgestampft. Nach dem Pressen kommt sofort Weinbrand dazu. Er tötet die Hefen ab, sodass sie keines der rund 100 Gramm Zucker mehr vergärt. Der süße Seelentröster mag es salzig, bitter und scharf – also Blauschimmelkäse oder dunkle Chili-Schokolade. Muhr empfiehlt zwischen zwei Stückerln Bitterschokolade von „Tiroler Edle“ ein Scheibchen frischen Ingwer und ein paar Flocken Fleur de Sel. Geöffnete Süßweine halten im Kühlschrank übrigens meist wochenlang. Theoretisch.
Sie kostet sich durch die Weinwelt, arbeitet als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten in Niederösterreich.
Auf den Geschmack gekommen? Bei Anregungen und Feedback zu Wein und Weinkultur schreiben Sie der Kurier-Freizeit-Redaktion unter flaschenpost@kurier.at
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