Erregte Erreger

Erregte Erreger
Der Kabarettist Klaus Eckel über den Weg vom Wutbürger zum Yogalehrer.

Frühstück mit Kanzler! Skandal! Bürgermeister geimpft! Skandal! Wir werden alle sterben! Skandal!

Beim Scrollen durch etliche, österreichische Twitter-Accounts, stehen die Blutdruckwerte unter Dauerbeschuss.

In Anbetracht dieser virtuellen Dauerentrüstung stellt sich langsam die Frage, ist Twitter bereits eine Vorerkrankung? In letzter Zeit diagnostiziere ich bei mir eine gewisse Hysteriemüdigkeit. Die permanent inszenierte Erregung erinnert mich an die Feuerwehrübungen in der Schule. Die ersten paar Male sind wir beim Läuten der Glocke die Treppe hinunter in den Schulhof geeilt. Beim fünfzehnten Alarm sind wir sitzen geblieben. Das war das einzige Mal, wo es gebrannt hat. Zwei voll bekleidete Feuerwehrmänner mussten schließlich einige von uns Ungläubigen die Stiegen runtertragen. Währenddessen skandierten wir: „Lügen-Feuer! Lügen-Feuer!“, „Systemfeuerwehr! Systemfeuerwehr!“ und „eine Rauchgasvergiftung ist wie eine Grippe“.

Heutzutage müsste ich sicher zur Strafe einen Erlebnisaufsatz mit dem Titel „Mein erster Aluhut“ schreiben. Wenn es im Gebüsch raschelt, dann näher dich diesem mit Vorsicht. Das ist eine alte Neandertalerweisheit. Mit der Logik der sozialen Medien, hätte es vor 400.000 Jahren Tag und Nacht im Gebüsch geraschelt, an der Höhle geklopft und im Dunklen geknistert. Die Sinne unserer Vorfahren hätten irgendwann ihre Kapitulation eingereicht. Zur Freude des Säbelzahntigers. Er wäre jetzt vermutlich die Krone der Schöpfung. Bis er halt anfängt zu twittern. Um soziale Medien mit Gelassenheit zu fluten wäre mein Vorschlag, dass man über jeden Beitrag, bevor er erscheint, verpflichtend eine Nacht schlafen muss. So ein Bett kann Gemüter verwandeln. Man deckt sich oft als Wutbürger zu und wacht nur wenige Stunden später als Yogalehrer auf.

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