Es rumort

Ein an Erschütterungen reiches Jahr geht mit einer buchstäblichen Erschütterung in Richtung Ausgang.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

In Wien tanzen die Christbaumkugeln, in Graz wackeln Luster. In Kroatien stürzen Gebäude ein. Menschen werden verschüttet. Ein an Erschütterungen reiches Jahr geht mit einer buchstäblichen Erschütterung in Richtung Ausgang („Es verabschiedet sich mit einem Beben“ wagt man nicht zu schreiben, um nichts zu verschreien, denn niemand weiß, was das Jahr an seinen letzten beiden Tagen noch im Programm hat).

Am vorvorletzten Tag des Jahres lässt die Erde ausrichten: Es rumort. Sie sorgt dafür, dass auch in der angeblich ruhigsten Zeit, zwischen Weihnachten und Silvester, keine Ruhe einkehrt. In der Zeit, in der alles stillsteht, bewegen sich Erdplatten. In der Zeit der Lücke, die sich zwischen altem und neuem Jahr auftut, tut sich plötzlich die Erde auf und legt Risse frei. Es wäre zu platt, dieses Rumoren als Symbol für kollektives Bauchweh zu deuten. Oder als pauschale Last, die abfällt, weil 2020 endet. Aber aufrütteln darf es. Jeden Moment kann alles anders sein.

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