Ende des Winterschlafs

"Meine Stadt": Wenn der Gitarrenspieler wieder klimpert und der Mann vom Nachbarhaus wieder so laut niest - dann ist Sommer.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Der Mann aus dem dritten Stock des Nachbarhauses, der bei offenem Fenster immer so laut niest. Der Gitarrenspieler vom zweiten Stock des anderen Nachbarhauses, der meistens am frühen Abend beginnt, auf seinem Instrument herumzuklimpern. Die Studenten-WG im Haus schräg gegenüber, deren Partygäste immer tiefsinnige Gespräche auf dem Mini-Balkon führen. Der Hund der Nachbarn, der mich seit fünf Jahren kennt und noch immer anbellt, wenn er mich sieht. Der Bub vom sechsten Stock, der gerne „Hallo, ihr Blödis!“ ruft. Die große Schwester im Garten gegenüber, die so gerne ihren kleinen Bruder maßregelt. „Timmi, du singst so schiach. So schiach, dass sich sogar die Vögel fürchten“, sagte sie, als ich heuer zum ersten Mal länger im Hinterhof unseres Mehrparteienhauses saß. Zehn Minuten später nieste der Typ aus dem dritten Stock bei offenem Fenster so laut, dass der Hund der Nachbarn zu bellen begann.

Ich weiß nicht, wie der Mann heißt, der immer so laut niest. Oder wie der Gitarrenspieler ausschaut. Manche meiner Nachbarn „kenne“ ich nur vom Sommer, wenn sie – wie ich – auf den Balkonen und kleinen Gärtchen in unserem Hinterhof ihre Zeit verbringen und niesen, reden oder singen. Schön, dass der Winterschlaf vorbei ist und sie alle wieder da sind.

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