Die Monster-Reisegruppe war da

Warum es nicht alle freut, wenn sich Touristen abseits der üblichen Pfade herumtreiben
Barbara Beer

Barbara Beer

Massentourismus, der zu Problemen mit Einheimischen führt: Overtourism ist mehr als ein Wort. Für diese Erkenntnis braucht man heute nicht mehr nach Rom oder Venedig fahren.

Unlängst besuchte die größte Reisegruppe der Welt die Schweiz. Sagenhafte 12.000 Mitarbeiter eines chinesischen Konzerns machten sich auf den Straßen von Luzern und Basel bemerkbar.

Die Dimensionen sind neu, das Phänomen nicht. Auch nicht in Wien, das früher gar nicht so blass war, wie wir es dank verwaschener Kottan- und Mundl-Fernsehbilder in Erinnerung haben. (Die Kottan-Folge „Wien Mitte“ kann man übrigens nicht oft genug sehen.)

Schon 1971 persiflierte Ingeborg Bachmann die schrille Vermarktung Wiens und seiner Geschichte, nämlich in der Erzählung „Besichtigung einer alten Stadt“. Amerikanische Touristen fahren darin mit dem „Austrobus“ durch eine museale Innenstadt, verwechseln Romy Schneider mit der Kaiserin und essen auf dem Weg zur Kapuzinergruft klebrige Mozartkugeln. Weiter als bis zum Riesenrad geht ihre Reise Richtung Peripherie nicht. Dabei gäbe es, das zeigt auch Georg Renöckls neues Buch „Wien abseits der Pfade“, außerhalb des Zentrums allerhand zu entdecken. Er schickt Gäste etwa nach Fünfhaus und auf den Wienerberg, auf eine „Meidlinger Bassenahatsch“, also eine Entdeckungsreise zu Gusseisenwaschbecken im 12. Bezirk, und nach Transdanubien.

Als Betroffener weiß man allerdings: Auch Floridsdorf freut sich nicht uneingeschränkt über Touristen. Wenn es, sagen wir, Amerikaner zum Heurigen in die Stammersdorfer Kellergasse schaffen, dann denkt sich der gelernte Wiener: „San di jetzt do a scho?“ Schlimmer noch ist, wenn die Fremden in Begleitung Einheimischer unsere Stammplätze heimsuchen: „Verräter!“, murmelt man. Lieber ist einem da schon der weitere Ausverkauf Grinzings.

Die Monster-Reisegruppe hat die Schweiz übrigens wieder verlassen. Medien ziehen positive Bilanz: Die Chinesen haben viele Schweizer Koffer gekauft.

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