Die Entrüstung rüstet ab

Zwei Monate Krieg. Wer will die Nachrichten des Grauens noch hören? Die Frage stellt sich nicht. Denn Wegschauen wäre fatal
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Schon zwei Stunden Krieg sind zwei zu viel. Was sind dann erst zwei Monate Krieg? Aber auch zu Beginn des dritten Monats deutet nichts auf ein Ende hin – außer auf ein Ende der Hoffnung, des Interesses, des Protests, der Hilfsbereitschaft. Die Entrüstung rüstet allmählich ab.

Während viele am 25. Februar die Nachrichten noch im Stundentakt verfolgt haben, duckten sie sich am 25. April lieber weg. Zwei Monate Tod, Gewalt, Hunger, Schmerz, Leid, Tränen. Millionen Menschen auf der Flucht. Wer soll, wer kann, wer will das noch hören? Wer bringt noch Mitgefühl auf, wenn die Grausamkeit auf die Marathondistanz geht? Ist es da nicht einfacher, zu sagen: „Ich sehe keine Nachrichten mehr, das tut mir nicht gut!“?

Aber Hinschauen hilft. Natürlich nicht im Stundentakt, so wie damals am 25. Februar, als der Angriff auf die Ukraine gerade begonnen hatte. Aber sich täglich seriös zu informieren, was auf der Welt los ist, verhindert vielleicht, dass im Schutz des öffentlichen Desinteresses und unterhalb des westlichen Bewusstseinsradars noch Schlimmeres geschieht.

Ja, Krieg zermürbt, auch seine Betrachter. Aber ihn auszublenden, ist Kapitulation vor dem einzigen Feind, dem wir gewachsen sind: der Gleichgültigkeit.

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