Der Steirer spricht nicht, er singt

"ÜberLeben": Ich hab mich in der Steiermark einmal beim Joggen verlaufen, und jede verlorene Minute war es wert.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Es ist ungefähr 20 Jahre her, da spielten die Rolling Stones in Tirol. Das Konzert war leider sehr schlecht, also setzte ich mich an eine Bar, um von dort aus weiter zuzuhören. Zufällig saß neben mit Schiffkowitz von STS.

Wir unterhielten uns, über den traurigen Abend (beide sind wir Stones-Fans), über Gott und die Welt, über dieses, jenes und das auch. Am Ende des Gesprächs (das Konzert klang inzwischen wieder besser) sagte er zu mir: „Aus welcher komischen Gegend der Steiermark kommst du denn?“ Ich antwortete: „Aus Hinterbrühl, Niederösterreich.“

Das ist typisch für mich. Ich spiegle Sprache. Ich kann gar nicht anders. Sitze ich einem Stuttgarter gegenüber, spreche ich nach zehn Minuten Stuttgarterisch, bei einem Südtiroler Südtirolerisch, bei einem Mongolen Mongolisch. Manche legen mir das als Talent aus, in Wahrheit ist es eine Art Leiden, denn ich habe es nicht im Griff, es passiert einfach.

Steirisch nachzuahmen gilt als leichte Übung für Parodisten. Man muss einfach bellen, also böullen. Jeder kennt den Witz, wie der Steirer Leoben ausspricht: Mit allen Vokalen. Also Laeiouben. In Wahrheit klingt Steirisch wunderschön, man muss es halt mögen, wie man in Wien sagt. Der Steirer spricht nicht, er singt.

Ich habe eine alte Freundin, die lebt bei Leibnitz, deren Sohn ist halber Niederösterreicher und halber Ostfriese, wächst aber in der Steiermark auf. Wie er einmal sprechen wird, kann ich mir gar nicht vorstellen, aber es wird eine Art Kunstwerk sein.

Die Südsteiermark, wo ein Freund von mir herkommt, ist natürlich schwer gefährdet, von Wienern, die hier ihre Toskana-Fantasien ausleben, und von Nobelwinzern, die mondbasisartige Gebäude in die Hügel knallen. Aber noch ist sie definitiv eine der schönsten Gegenden der Welt. Ich hab mich dort einmal beim Joggen verlaufen, und jede verlorene Minute war es wert.

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