Warum ich über meine Eizellen bestimmen will, oder: Mein Unterleib ist Schrödingers Katze

Eine Frau hält einen Wecker in der Hand.
Der VfGH verhandelt über das Social Egg Freezing. Eine Legalisierung wäre ein längst überfälliger Schritt. Wieder wird reproduktive Autonomie zum Politikum. Indes ist mein Unterleib Schrödingers Katze.
Diana Dauer

Diana Dauer

“Frau Dauer, Sie sind 31 Jahre alt. Wissen Sie eigentlich, wie es um Ihre Fruchtbarkeit steht? ”, fragte mich meine Ärztin neulich. Die Frage traf mich unvorbereitet.

Ich bin zwar alt genug für Vorsorge-Untersuchungen, hatte aber nicht damit gerechnet, mit meiner vergänglichen Fruchtbarkeit konfrontiert zu werden. 

Da ist sie. Die Realitätsohrfeige, die ich mit all meiner emanzipierten Selbstbestimmung nicht wegargumentieren kann. Da ist der Faktor Zeit. Und ihr typsicher, aber kränkender Charakterzug, dass sie auch für mich nicht stehen bleibt.

Die Kinderfrage ist eine lästige Straßenkatze 

Da ist es. Das Thema, das ich weder mahnend vor mir hertragen noch abgeschlossen hinter mir lasse. Vielmehr trottet es immer wieder neben mir her, stupst mich von der Seite an. Wie eine anhängliche Straßenkatze, die sich einfach nicht verscheuchen lässt. 

Aber jetzt hat sie ihre Krallen ausgefahren und lässt sich nicht mehr ignorieren. Ich wusste tatsächlich nicht, wie es um meine Fruchtbarkeit bestellt war. Und genau an diesem Ort, in diesem Untersuchungsraum, wird aus der Straßenkatze Schrödingers Katze. Vor meiner Ärztin sitzend war ich gleichzeitig fruchtbar und nicht (mehr) fruchtbar. Nur ein Test (Anti-Müller-Hormon Anm.) kann in die Box schauen und das Rätsel lösen. Und ich spürte den Druck der Zeit. 

Ich dürfte nicht, selbst wenn ich wollte

Wie lang hab ich noch? 

Sollte ich noch fruchtbare Eizellen haben, könnte/sollte ich überlegen, Eizellen einzufrieren, bekomme ich medizinischen Rat. "Dann hätten sie jetzt keinen Zeitdruck", sagt meine Ärztin und ich höre fast, wie sie das “Tiktak” der biologischen Uhr mitdenkt. Mit 30 Jahren ist die fruchtbarste Zeit schon vorbei. Ab zirka 35 sinkt die Zahl der fruchtbaren Eizellen rapide. TikTak.

Ok, dann frier' ich ein, was ich noch hab, denk ich mir. Mein Stress lässt etwas nach. Aber nur kurz. Denn jetzt werde ich zornig. Mir wird die Entscheidung genommen. Denn über meine Eizellen habe gar nicht ich selbst die volle Kontrolle. Österreich verbietet das Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund ("Social Egg Freezing"). Also dürfte ich gar nicht, selbst wenn ich wollte. Ich müsste ins Ausland. 

Keine reproduktive Autonomie

Im Übrigen gilt das Verbot auch in anderen Ländern, die die reproduktive Autonomie von Frauen unterbinden wollen, etwa Polen und Ungarn. Mit schwachen Argumenten noch dazu. Österreich argumentiert, dass durch das Verbot des "Social Egg Freezing" verhindert werden soll, dass auf Frauen Druck ausgelöst wird, die Familienplanung zu verschieben... 

Das mutet gar sehr absurd an, löst doch das Verbot des Einfrierens von Eizellen (ohne medizinische Gründe) überhaupt erst weiter Druck auf mich und andere Frauen aus, die die Befruchtung aus welchem Grund auch immer noch aufschieben wollen. 

Folgt man der Logik Österreichs müsste man auch Verhütungsmittel verbieten. Das hat auch Höchstrichter Michael Rami bei einer Anhörung im Juni angemerkt. Der VfGH nämlich verhandelt über das Verbot, nachdem eine 32-jährige Frau geklagt hat. Sie sieht das verfassungsrechtlich gewährte Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben gemäß Artikel 8 in der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. (Meine Kollegin Raffaela Lindorfer hat über die Causa berichtet.)

Der weibliche Unterleib, Sache des Staates

Und mal wieder ist die hochpersönliche reproduktive Entscheidung von erwachsenen Frauen über ihr Unterleib und ihr Leben ein Politikum. 

Das Verbot führt nicht zu einer höheren Geburtenrate

Die Geburtenrate in Österreich sinkt, und das kann ein demografisches Problem werden. Stichwort Pensionen. Aber das Verbot ändert gar nichts daran. Es sollte eher hinterfragt werden, welche strukturellen Missstände das Kinderkriegen für Frauen so unattraktiv machen, statt sie mit Verboten davon abzuhalten, selbst über den eigenen Körper und die Familienplanung zu entscheiden. 

Es gibt keine logischen Argumente gegen das "Social Egg Freezing". Es hat laut Experten weder für die dadurch entstehenden Kinder, noch für die Frauen einen Nachteil.  Das ganze stinkt nach dem Zwang, die Kontrolle über den weiblichen Körper nicht zu verlieren und Frauen in traditionelle Rollenbilder zu drängen.

Eines muss bei all der Emotionalität rund ums Kinder-Machen klar sein. Die Entscheidung von Frauen, Eizellen einzufrieren und nicht sofort Kinder zu bekommen, hängt nicht am Manko eines Samenspenders, wie es mitunter von jenen ungalant suggeriert wird, die das Thema "kinderlose Frauen" unangenehm berührt.

 Kein Manko an Samenspendern, sondern freie Entscheidung

Frauen bekommen heute grundsätzlich später Kinder. Und zwar auch, weil sie endlich die eigenen Bedürfnisse bei Beruf und Partnerschaft wichtiger nehmen. Weil Mutterschaft durch mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie unattraktiv ist. Und: Weil sie - und das ist der beste Grund -  einfach manchmal vorher nicht wollen - auch wenn sie könnten. 

In Ländern wie Spanien, Schweden oder Belgien ist "Social Egg Freezing" längst erlaubt, in Frankreich zahlt sogar die Krankenkasse. Übrigens Länder, die alle entweder weiter als Österreich oder sogar EU-Spitzenreiter bei der Gleichstellung sind. 

Das Verbot zu kippen, ist nichts anderes als ein logischer Schritt zu mehr Autonomie und Gleichstellung. Lasst mich doch selbst über meine Eizellen entscheiden ... vorausgesetzt, ich hab noch welche... Ist die Katze tot oder kann ich noch Eizellen einfrieren? Ich wage den Blick in die Box. "Ok, dann machen wir einen Fruchtbarkeitstest", entgegne ich meiner Ärztin.

"Dauerzustand" ist die Kolumne von Newsdesk-Redakteurin Diana Dauer über die Lebenswelt als kinderlose Millennial-Frau, über das Älterwerden, Schablonen, die man ausfüllen muss und Alltags-Sexismus.  

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