Danke für alles, Onkel Dolf.
Ich weiß noch, wie ich in der neuen Klasse saß, verunsichert, wie ein 15-Jähriger nur sein kann, und der Professor H. kam herein. Und ich dachte mir: Gottseidank, der Onkel Dolf.
Ein paar Wochen davor hatte ich die alte Schule mit Graffiti bemalt und war rausgeschmissen worden. In Wahrheit hatte ich genau das bezweckt: Die alte Schule war mir unerträglich, dort gab es sogar eine Einbahnregelung für die Stiegenhäuser, und ähnlich ging man dort mit dem Denken um. Die neue Schule war ganz anders, dennoch war der erste Schultag ein Horror für mich, meine Taten waren mir als Gerüchte vorausgeeilt, und die Mitschüler sahen mich an, als wäre ich ein merkwürdiges Insekt.
Dann kam der Prof. H. in die Klasse und sagte: „Das ist der Guido. Er malt gerne Dinge an. Guido, ich hätte da einen schönen Gartenzaun zum Anstreichen.“ Alle lachten schallend, und die Geschichte war abgehakt.
Adolf H. kannte mich seit meiner Geburt, denn er war ein enger Freund meiner Eltern. Für mich war er mein „Onkel Dolf“ (bis zur Matura dann aber nur noch „Professor H.“). Er war enorm beliebt. Man lachte über seine verdrehten Sprüche: „Ein Blut voll Meer und Tränen“; „Das hängt nicht mit dem zu tun“; „Geh auße oder schleich di!“ Aber er wurde respektiert, weil er keinen Unsinn erzählte. Er war ein guter Lehrer, der neugierig machte auf Wissen und Zusammenhänge. „Er war der einzige, der mit mir klarkam, und ich mit ihm“, sagt einer meiner Klassenkollegen.
Professor H. starb unlängst, im Alter von beinahe 90 Jahren. Er stürzte beim Radfahren, schob das Rad nach Hause und schlief dort ein. „Möge er mit der Jenseits-Autobahn zu den ewigen Skilifts fahren“, schrieb mir ein anderer Klassenkollege, auf einen weiteren berühmten H.-Spruch anspielend.
Danke für alles, Onkel Dolf.
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