Chaos de Luxe: „Meine einzig Goldene!”
Freundlichkeit ist neuerdings mein zweiter Vorname. Die Menschen sind alle (inklusive mir) Befindlichkeitsbaustellen der ärgsten Sorte. In einem Tennessee-Williams-Stück brüllte einmal ein Protagonist: „Ich habe zur Zeit keinen einzigen Cent mehr auf meinem emotionalen Nervenkonto!“ Ich verstehe ihn so gut.
Klar, unser Gemütszustand ist nach einem Dreivierteljahr in Babyelefantistan mürbe wie korrekt gelagerter Lebkuchen. Ein falsches Wort, ein argwöhnischer Blick und schon ist das Anger-Management sowas von aus dem Höschen. „Was is mit du, Oida?“, „A Kübl Ohrwascheln ist schnell brockt!“ oder „Führerschein in der Lotterie g’wonnen, oder was?“ Der Wiener an sich besitzt ja ein reichhaltiges Idiome-Schatzkästchen für Impulskontrollverlust in all seinen wüsten Spielarten.
Tolles Auto
Deswegen sage ich jetzt bei jeder Taxifahrt sowas wie: „Tolles Auto! – Wie läuft es zu Hause? – Sie Pfitschipfeil, so schnell war ja noch keiner da ...“, herze die Weinhändler bei der Lieferung seelisch („Bei Ihrem Rotwein werden die Franzosen von Weinkrämpfen gebeutelt werden – Spitzenklasse!“) und bedanke mich bei jeder persönlichen Paketzustellung mit einem eingesprungenen „Wie schön dass Sie selbst kommen und mir nicht nur den ollen gelben Zettel hinterlassen“-Salto.
Was viele nicht kapieren ist, dass Lob die beste Korruptionsmethode der Welt ist. Und noch dazu supergünstig. Gehen Sie bitte damit verschwenderisch um! Extreme Umwegrentabilität garantiert. Und wenn der Rest der Welt zu ignorant ist, um Ihnen eine Überdosis Lob zukommen zu lassen, dann schnurren Sie sich einfach ein zärtliches „Du bist meine einzig Goldene“ oder so einen Schwachsinn zu. Es wird in der kollektiven Pandemie-Paranoia niemanden aufregen. Selbstgespräche führen nämlich inzwischen ohnehin schon alle. Also: Grüßen Sie sich von mir!
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polly.adler@kurier.at
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