Chaos de Luxe: Getrennte Wohnsitze, herrlich!

Wenn es nach drei Tagen Gemeinsamkeit „Schön war es, Schatzi, aber jetzt ist genug!“ heißt.
Polly Adler

Polly Adler

Die elegante Dame nimmt im Restaurant des Vöslauer Bades Platz. Sie sieht um Jahre verjüngt aus. Frisch verwitwet, erklärt sie mir, fast entschuldigend, ihr lebensfrohes Aussehen. Man kondoliert. Kannte den Mann.

Er war ihr an unangestrengter Vornehmheit um nichts nachgestanden. Ein Sir, wie man so schön sagt. Aus jenem Holz geschnitzt, das man heute nicht einmal mit der Lupe findet: Hoch gebildet, aber ohne damit herumzuwedeln, ein Küss-die-Hand-Bonvivant, dem auch in seinen hohen Achtzigern der Schalk in den Augen nicht abhanden gekommen war. André Heller hat für diesen Menschenschlag den Zusatz „ein schwebendes Gemüt“ ersonnen. „Wir hatten eine wunderbare Ehe“, sagt sie, „die wir in zwei getrennten Wohnsitzen wie ein zartes Pflänzchen pflegten.“ Nach drei Tagen Gemeinsamkeit drückten sie sich stets einen Kuss auf die Stirne und die Worte „Schön war es, Schatzi, aber jetzt ist genug!“ ins Gemüt. So konnte man die Sehnsucht jedes Mal wieder hochjazzen. Der Bonvivant mit dem Maurice-Chevalier-Aussehen dichtete gerne, und als Muse schaffte es die Gemahlin allenfalls in die Katastrophen-Kategorie. „Ich hab’ ihm zu viel geredet“, kichert sie, „das hat ihm bei der Wortezauberei den Nerv gezogen.“

Ein herrliches Modell: Keine Diskussionen, wo das Monster sitzen könnte, das alle zweiten Socken gefressen hat, keine „Schon-wieder-hast-du-nie-nicht“-Schlagabtäusche. Denn wie man weiß, lassen sich auch die größten Geister in den eigenen vier Wänden gerne einmal gehen. Der Schreibgott Marcel Proust ließ seine geliebte Haushälterin Celeste, mit der er vieles, außer dem Bett, teilte, in seiner allerletzten Nachricht wissen: „Ich glaube, trotz meiner Magenkrämpfe, wird mir eher Pfirsich-, als Birnenkompott guttun.“ Die Engländer beuteln angesichts solcher unter-irdischen Geständnisse die wunderbare Phrase „Way too much information!“ aus dem Ärmel.

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