Chaos de Luxe: Der Traum vom Konversationspuff

Wo sind die Witz- und Wort-Jongleure?
Polly Adler

Polly Adler

Ich vermisse die Sportart Gesprächsakrobatik. Nicht nur wegen des C-bedingten Spaß-Exils, zu dem wir verdonnert wurden. Auch weil die Witz- und Wort-Jongleure zunehmend weniger werden. Immer wieder stolpert man auf der Strada del Häppchen (auch Cocktails genannt) in Gesprächslöcher, die so ermüdend sind wie drei Tage Ackerbau. Aber heutzutage schwirren ohnehin nur mehr Sprach-Aerosole wie „Beim Südafrikaner soll er net greifen, der AstraZeneca“ oder „Die Herdenimmunität kannst dir pinseln, Oida!“

Manchmal würde ich mir regelrecht eine Art Konversationspuff wünschen, wo man bei den klügsten und gleichzeitig lustigsten Menschen einchecken kann. Nur diese Kombination macht nämlich die Musik. Man stelle sich vor, die Bordell-Mutter, eventuell eine studierte Spezialistin für französische Salonkomödien, könnte dann im plüschroten Empfang sowas sagen wie „Dorothy Parker hat noch einen Kunden, aber in 20 Minuten können Sie rein“, „Oscar Wilde empfängt erst morgen wieder. Er laboriert heute an einer ... nun ja ... etwas peinlichen Gaumenzäpfchenprellung“ oder „Wollen Sie unser Sonderangebot für zwei Runden Smalltalk? Für Themen wie Gott, Geld und die Liebe verrechnen wir neuerdings einen Aufpreis von 30 Prozent.“

Wobei Religion sowie Gesundheit, Migrationsfragen, klimawandelbedingte Wetterphänomene und sexuelle Vorlieben auch im Echtleben großräumig zu umschiffen sind. „Das Wetter ist die letzte Zuflucht der Phantasielosen“, klagte Herr Wilde. Und die bezaubernde Lady Grantham aus „Downton Abbey“ spitzte bei vulgären Glaubensthemen ihr Mündchen wie eine Babymuräne und merkte an: „Religion ist wie ein Penis. Es ist in Ordnung, einen zu haben. Aber man sollte ihn nicht in der Öffentlichkeit auspacken und stolz damit herumwedeln.“ Das Gleiche gilt auch für Reichtum, schwache Nerven und Sodbrennen.

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