Warum manche nicht wegschauen können, wenn im Fernsehen ein Skirennen läuft

Von November bis März lauft im Café jedes Wochenende das Fernsehkastl
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Sportcafé. Zu den ungewöhnlichen Merkmalen des Café Kralicek gehört, dass es dort einen Fernseher gibt. Er wird ausschließlich dann eingeschaltet, wenn ein Skirennen übertragen wird. Warum? Weil der Chef das sehen will. Seit Jahrzehnten hat er fast kein Weltcuprennen verpasst.

Wenn einige Gäste es befremdlich finden, dass in einem Wiener Kaffeehaus Sportübertragungen laufen, ist ihm das egal. Er ist nämlich überzeugt davon, dass sich die Gäste eines Lokals nur dann wohlfühlen, wenn sich auch der Chef wohlfühlt. Und für sein Wohlbefinden braucht er nun einmal Skirennen.

Längst haben sich die Stammgäste daran gewöhnt, dass von November bis März mittags jedes Wochenende das Fernsehkastl läuft, bei Übersee- oder Nachtrennen natürlich auch abends. Den meisten ist es egal, manche nervt es, viele aber sind irgendwann selbst zu glühenden Skifans geworden – weil sie draufgekommen sind, dass es lustiger ist, sich auf den Spleen des Chefs einzulassen, als ihn zu ignorieren.

Schule des Sehens. Die Skirennenschausucht hat mit frühkindlicher Prägung zu tun. Die meisten Betroffenen sind zu einer Zeit aufgewachsen, als in den Zeitungen an Renntagen noch Tabellen mit den Startlisten abgedruckt waren, in die Zwischen- und Endzeiten eingetragen werden konnten. Ein Service, das gerne angenommen wurde.

Gäste, die das Café zufällig betreten, wenn gerade ein Rennen läuft, verstehen oft überhaupt nicht, was daran interessant sein soll. Skirennen sind aber auch nichts für Laien. Es braucht viele Jahre Erfahrung und unzählige Analysestunden mit Professor Sykora, um wenigstens ein bisschen beurteilen zu können, was da vor sich geht. Skirennen schauen ist eine Schule des Sehens. Im Lauf der Jahre entwickelt man einen Blick für die Schönheit eines perfekten Schwungs. Und das Tollste ist: Die, die am schönsten fahren, sind oft auch am schnellsten.

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