Kafka im Kaffeehaus: Lokalverbot für Josef K

Was wäre gewesen, wenn Franz Kafka ein Kaffeehausliterat gewesen wäre?
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Café Kafka. Obwohl im 6. Bezirk ein feines kleines Café nach ihm benannt ist, war der vor 100 Jahren gestorbene Franz Kafka kein Kaffeehausliterat. Wäre er einer gewesen, hätten sich einige seiner Werke vielleicht etwas anders gelesen.

Der Prozess. Jemand musste Josef K verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens nicht ins Café gelassen. Lokalverbot! Was für den Stammgast das größte vorstellbare Unglück darstellt, ist auch für den Wirten heikel – Umsatzrückgang. Meist ist ein Lokalverbot Resultat einer einfachen Rechnung: Der Schaden, den der Gast dem Café verursacht, muss größer sein als der Schaden, der dem Café durch den Verlust des Gastes erwächst. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Gast sich so aufführt, dass andere Gäste seinetwegen das Café meiden.

Josef K aber ist unschuldig. Manchmal geht er anderen Gästen auf die Nerven, wenn er nach dem Status bestimmter Zeitungen fragt („Ist die Frankfurter schon frei?“), aber im Grunde ist er ein angenehmer Gast. Das Lokalverbot ist pure Willkür. Das macht den Roman ja so unheimlich.

Die Verwandlung. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich an seinem Stammplatz zu einem ungeheueren Zuckerstreuer verwandelt. Dabei hatte er seinen Kaffee nie mit Zucker getrunken. Die anderen Gäste taten so, als wäre alles ganz normal. Und der Ober servierte wie immer Melange und Schnittlauchbrot, obwohl der arme Kerl weder das eine noch das andere zu sich nehmen konnte. Der Kaffee wurde kalt, das Brot hart. Als die Kellner nach der Sperrstunde die Sessel auf die Tische stellten, fiel der riesenhafte Zuckerstreuer auf den Boden und zerbrach in tausend Stücke. Da erwachte Gregor Samsa abermals aus unruhigen Träumen, und der Kellner legte ihm eine ungeheuere Rechnung auf den Tisch.

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