Der schmale Grat zwischen Höflichkeit und Aufdringlichkeit
Bitte und Danke. Im Café Kralicek legen Gäste und Geschäftsleitung Wert auf Höflichkeit. Es schaut zwar niemand so streng auf Etikette oder Tischmanieren, wie es bei Elmayer oder Knigge steht, aber alle sagen „Bitte“, wenn sie etwas bestellen, und „Danke“, wenn sie das Gewünschte tatsächlich bekommen haben.
Es ist auch erlaubt, Frauen beim Anziehen der obersten Kleidungsschicht behilflich zu sein; allerdings nur, wenn die das auch wirklich wollen. Andernfalls wird Höflichkeit schnell als aufdringlich empfunden – abgesehen davon, dass es etwas Slapstickhaftes haben kann, wenn eine Dame beim In-den-Mantel-Helfen nicht kooperiert.
Und bevor man sich eine Zeitung nimmt, die auf einem anderen Tisch liegt, fragt man nach („Ist die Zürcher frei?“), wobei es vom Adressaten wiederum unhöflich wäre, diese Frage zu verneinen (es gibt ja eigentlich kein Recht darauf, Zeitungen zu horten).
Das Tür-Dilemma. Zu den schwierigsten Übungen in Sachen Höflichkeit gehört das Aufhalten der Türe. Es gibt nämlich nur ein relativ kleines Zeitfenster, in dem diese freundliche Geste angebracht erscheint.
Einerseits ist es natürlich eine grobe Rücksichtslosigkeit, jemandem die Türe vor der Nase zufallen zu lassen. Andererseits kann es aber auch in Unhöflichkeit umschlagen, wenn die andere Person noch zu weit von der Tür entfernt ist, die ihr aufgehalten wird: Aus Hilfestellung wird dann eine Art Nötigung.
Denn die Nachkommende will ja ihrerseits nicht unhöflich sein und den zuvorkommenden Türaufhalter zu lange warten lassen. Sie fühlt sich also bemüßigt, ihren Schritt zu beschleunigen, gerät in Stress und kommt dabei womöglich sogar ein wenig außer Atem. Trotzdem muss sie sich für das Türaufhalten bedanken, weil sonst der andere beleidigt wäre. Der merkt gar nicht, dass er was falsch gemacht hat, und so weiter.
Der Chef hat dann irgendwann eine Drehtür einbauen lassen.
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