Fräulein sagt man nicht. Aber wie soll man sonst was bestellen?

Über das Genderproblem im Café
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Fräulein! Der Kellner hat ein Genderproblem. Natürlich gibt es das Wort auch in der weiblichen Form. Aber niemand käme auf die Idee, „Kellnerin!“ zu rufen, wenn er etwas bestellen will. Früher hat man „Fräulein!“ gerufen (und zwar unabhängig von Alter oder Familienstand der betreffenden Dienstleisterin), aber das geht heute nicht mehr. Dass das wirklich nicht mehr geht, steht spätestens seit Sommer 2022 fest, als auf den Anzeigetafeln in Wimbledon erstmals darauf verzichtet wurde, den Frauen ein „Miss“ oder „Mrs“ voranzustellen.

Herr Ober! Merkwürdig, dass auch männliche Kellner nicht „Kellner!“ gerufen werden, das in Paris gebräuchliche „Garçon!“ hat sich bei uns nicht durchgesetzt. Stattdessen schallt es „Herr Ober!“ durch das Lokal – und zwar oft auch dann, wenn die betreffende Person ganz offensichtlich kein Oberkellner ist, sondern nur ein ganz gewöhnlicher Kellner, wenn nicht überhaupt der Lehrbub.

Dass der Kellner hier also oft ein Upgrade erfährt, wird im Kaffeehaus dadurch kompensiert, dass treue Stammgäste für ihre Verdienste gern als Doktoren oder Professoren angesprochen werden, und zwar völlig unabhängig von etwaigen akademischen Abschlüssen.

Frau Oberin! Das Genderproblem im Café wird dadurch allerdings nicht gelöst. Es wäre nämlich fast schon Blasphemie, nach der „Frau Oberin“ zu rufen. So lustig das alles sein mag, so problematisch ist es gleichzeitig auch. Wie soll der Gast jemals zu seinem Bier oder zu seinem Spezialtoast kommen, wenn er nicht weiß, wie er die Kellnerin auf sich aufmerksam machen soll?

Das Resultat sind meist Hilfskonstruktionen wie „Entschuldigung!“ (wofür?) oder „Hallo!“ (Hallo?), die zwar letzten Endes ihren Zweck erfüllen, aber für alle Beteiligten unbefriedigend sind. Gute Kellnerinnen stellen daher ungefragt das passende Getränk auf den Tisch.

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