20 Shades of Kaffee: Als die Melange noch eine Wissenschaft war

In dem Buch "Café Größenwahn" erfährt man viel über die Geschichte des Kaffeehauses
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Café Größenwahn. In der Bücherecke des Cafés – gleich bei den Zeitungen – hat ein Gast kürzlich ein interessantes Buch deponiert. Es trägt den schönen Titel „Café Größenwahn“ (Verlag Hoffmann und Campe), und der Autor Dirk Liesemer beschreibt darin die Hochblüte der Kaffeehauskultur um die Jahrhundertwende. Im Mittelpunkt stehen das Café Griensteidl in Wien, das Café Stefanie in München und das Café des Westens in Berlin, die witzigerweise alle den Spitznamen „Café Größenwahn“ hatten.

Es geht natürlich hauptsächlich um Literatur und Politik, aber auch über die Geschichte des Kaffeehauses erfährt man viel. Zum Beispiel ist dem Buch zu entnehmen, dass es im Wiener Café Herrenhof einst eine Karte mit Farbskala gab, auf der die Gäste zwischen 20 nummerierten Schattierungen für ihren Kaffee wählen konnten, „von Tiefschwarz bis zu einem bräunlichen Weiß“.

Höhere Melangologie. Besonders die Melange war damals anscheinend eine Wissenschaft, man konnte sie mit oder ohne Schlag, mit oder ohne Haut, heiß oder kühl oder heiß mit kalter Milch bestellen; wahlweise in der Schale im Glas oder in der Mokkaschale serviert. Experten bestellten eine „Portion“ – und bekamen je ein Kännchen Kaffee und Milch serviert, zum selber Mischen.

Einige der Kaffeespezialitäten, von denen in „Café Größenwahn“ außerdem die Rede ist, werden in vielen Kaffeehäusern heute noch angeboten – der „Einspänner“ etwa, der „Kapuziner“ oder der „Franziskaner“. Im Café Kralicek findet man das alles nicht auf der Karte. Der Chef ist nämlich der Meinung, dass das schon vor 100 Jahren nur Touristen bestellt haben.

Das mit der Farbskala aber gefällt dem Chef. Gut möglich also, dass man im Café Kralicek demnächst Bestellungen wie „Eine Melange Farbton 12, bitte!“ zu hören bekommen wird. Ein bisschen Größenwahn kann ja nicht schaden.

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