Ein Momenterl, bitte!

In einem Wiener Kaffeehaus ist nur die Sprache speedig
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Das Momenterl. Bis im Café Kralicek ein Kellner daherkommt, kann es ein bissl dauern. Dafür wird man von diesem dann nicht belästigt, wenn man schon länger nichts mehr bestellt hat und trotzdem noch sitzen bleiben mag. Nur nicht hektisch werden! Wiener Kaffeehäuser sind grundsätzlich Hochburgen der Langsamkeit. Umso heftiger fällt der Kontrast zu der unpassend speedigen Sprache aus, der sich Wienerinnen und Wiener gern bedienen.

„Eine Melange und zwei Eier im Glas? Gern, sind in etwa zehn Minuten am Tisch.“ So müsste ein Ober sprechen, wenn er ganz ehrlich wäre. Aber was sagt er tatsächlich? „Kommt in der Sekunde!“ Wenn es dann doch etwas länger dauert: „Einen Augenblick noch!“ Und schließlich: „Momenterl!“

Das Momenterl ist im Wienerischen das Higgs-Boson unter den Zeiteinheiten: So klein, dass es nicht mehr teilbar ist, und so flüchtig, dass es sich in nichts auflöst.

Das Momentum. An dieser Stelle muss ein Modewort erwähnt werden, das zwar ganz ähnlich klingt wie Momenterl, aber etwas ganz anderes bedeutet: das Momentum. Das Wort ist zwar mehr oder weniger überflüssig, erfreut sich aber steigender Beliebtheit. Was es bedeutet? „Richtiger Zeitpunkt“, sagt Stammgast Konrad, der das Wort gleich in seinem neuen Duden nachgeschlagen hat.

In den allgemeinen Sprachgebrauch eingeschleust wurde das Momentum wahrscheinlich durch Tennisreporter des Senders Eurosport. Gern behaupten diese, der ein oder andere Spieler habe „das Momentum auf seiner Seite“. Soll heißen: Er hat ein paar Punkte gemacht und strotzt jetzt vor Selbstbewusstsein.

Das ist einerseits banal und hat andererseits wenig zu sagen – das Momentum wechselt nämlich ständig die Seiten. Wie gesagt, es ist ein ziemlich überflüssiges Wort. Im Café aber haben alle ihren Spaß damit:

„Herr Ober, noch einen kleinen Braunen, bitte!“

„Momenterl, ich warte noch, bis das Momentum auf meiner Seite ist!“

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