Ganz ohne Adventrituale geht es nicht
Advent, Advent. Warum es im Café Kralicek keinen Punsch gibt, wurde hier ja bereits erörtert. Kurz zusammengefasst: Man will den Adventmärkten keine Konkurrenz machen. Ganz spurlos geht die Adventzeit aber auch am Café nicht vorüber. Zum Beispiel kommt die Melange dieser Tage mit einem Vanillekipferl an den Tisch.
Es gibt sogar einen Adventkalender. Das Besondere daran: Hinter dessen Türchen verbergen sich weder bunte Bildchen noch Süßigkeiten, sondern die 24 besten Sprüche aus dem zu Ende gehenden Jahr im Café. Gute Meldungen werden von den Kellnern unterm Jahr in einem kleinen Notizbuch gesammelt; Ende November tritt dann eine Jury – bestehend aus dem Oberkellner, ausgesuchten Stammgästen und dem Chef – zusammen, um die Adventkalendersprüche auszuwählen, die dann auf kleine Kärtchen geschrieben und hinter die Türchen geschoben werden.
Jeden Tag wird eine Tür geöffnet, das Kärtchen herausgenommen, der Satz laut vorgelesen. Gestern zum Beispiel stand da: „Herr Ober, dauert das Schnitzel noch länger? Nur, damit ich weiß, ob ich mir eine Zeitung holen oder ein Buch kaufen soll.“
Kantate des Tages. Das sonst so streng eingehaltene Musikverbot im Café ist in der Adventzeit aufgehoben. Jeden Tag um fünf, wenn es zu dieser Jahreszeit schon finster ist, legt der Chef eine passende Bach-Kantate auf. Am tollsten an den Kantaten ist natürlich die Musik, der Chef mag aber auch die Texte.
Die handeln zwar von Jesus, klingen aber oft wie innigste Liebeslieder durchaus weltlicher Natur. In der zum ersten Adventsonntag komponierten Kantate „Schwingt freudig euch empor“ (BWV 36) etwa gibt es eine Arie, in der es heißt:
Willkommen, werter Schatz!
Die Lieb und Glaube machet Platz
Vor dich in meinem Herzen rein
Zieh bei mir ein!
Wer das nicht wunderschön findet, dem ist im Advent nicht mehr zu helfen.
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