Wer sagt, dass ein Finale einen Sieger haben muss?
Gruppendynamik. Am Montag wird der Fernseher wieder weggesperrt, und dem Finale blickt man im temporären Sportcafé Kralicek mit gemischten Gefühlen entgegen. Es ist nämlich so, dass solche Matches auch die schauen, die sich eigentlich gar nicht für Fußball interessieren. Das kann unterhaltsam oder sogar erhellend sein, wenn auf einmal Details hinterfragt werden, die man sich nie gefragt hat – zum Beispiel, wer in der Verlängerung Anstoß hat oder warum es für den Tormann beim Elfmeter so starke Einschränkungen gibt.
Es kann aber auch stören, weil Selten-Fußball-Schauer meist nicht den nötigen Ernst aufbringen. Irgendwann verlieren sie das Interesse, reden von etwas ganz anderem, und man kann sich nicht mehr gescheit auf das Spiel konzentrieren. Manche Stammgäste gehen sogar so weit, dass sie die Gruppenphase den K.-o.-Spielen vorziehen. „Da ist im Café noch nicht so viel los, und die Matches sind meistens auch besser.“ Tatsächlich ist der Fußball oft schöner, wenn die Teams nicht zum Siegen verdammt sind.
Wiederholung! Angenehm an Gruppenspielen ist auch, dass es weder Verlängerung noch Elfmeterschießen geben kann. Eine Verlängerung zieht ein Spiel meist bloß in die Länge, statt es besser zu machen. Und ein Elferschießen hat mit Fußball wenig zu tun.
„Eigentlich kann man da genauso gut eine Münze werfen“, grummelt ein Stammgast, der genau weiß, dass man das noch in den 70er-Jahren tatsächlich gemacht hat – allerdings erst, wenn auch das Wiederholungsspiel unentschieden endete. Das EM-Finale 1976 war das erste, das im Elfmeterschießen entschieden wurde – weil die Teams sich vorher darauf geeinigt hatten. Andernfalls hätte es bei Unentschieden ein Wiederholungsspiel gegeben.
Ein Finale, das wiederholt wird – was für eine Vorstellung! Heute wäre das schon
deshalb nicht möglich, weil die TV-Rechte unklar wären. Abgesehen davon, dass die Spieler ihren Urlaub sowieso nicht umbuchen würden.
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