Viel gerühmtes Tränenreich

Buben finden immer schwerer ihre Rolle. Der Grund: ein diffuses Männlichkeitsbild in der Gesellschaft. Die EURO 2020 zeigt warum.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Fachleute berichten, dass sich Buben, aufgrund widersprüchlicher Anforderungen, in ihrem Rollenbild immer schwerer zurechtfinden. Beobachtet man derzeit als Laie die große europäische Buben-Ball-Balz, wundert einen das nicht. Die Botschaften, die bei der Berichterstattung über die EURO 2020 vermittelt werden, sind einhellig zweideutig: Männer müssen Härte zeigen, dürfen aber nicht hart sein. Müssen große Töne spucken, sollen dabei aber nicht den Mund aufreißen. Müssen foulen, dürfen sich dabei aber nicht erwischen lassen ...

Torschütze Michael Gregoritsch, der beim ORF-Interview nach dem Schlusspfiff weinte, lässt entschuldigend ausrichten: „Ich habe das nicht mehr kontrollieren können.“ Wenn die Freudentränen nach einem entscheidenden EM-Tor schon als Kontrollverlust gelten, kann man sich ausmalen, was Buben zu hören bekommen, die im Kindergarten oder in der Schule weinen. Diese Buben brauchen Vorbilder. In diesem Sinne: Bitte noch viele tränenreiche EURO-Torschützeninterviews!

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