Bruce Springsteen: Große Rockmusik ist vertonte Sehnsucht

"ÜberLeben": Der beste Soundtrack für den Lockdown - "Letter To You".
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Seit drei Wochen gibt es das neue Album von Bruce Springsteen und seit drei Wochen höre ich es ununterbrochen. „Letter to You“ ist formschön, voller Sentimentalität und großen, echten Gefühlen und es ist über jede Aufregung erhaben (um nicht zu sagen: manchmal auch ein bisschen langweilig). Es ist Musik über die Kraft der Musik, Musik zum Ein- bis Zweisamsein, Musik für den Lockdown.  Anstatt Bananenbrot zu backen, sollte man lieber zehnmal täglich dieses Album hören. Man braucht dann auch gleich weniger Klopapier, weil man aufs Klogehen vergisst.

Wir bekommen die große, heilende Kraft der E Street Band zu spüren. Die Gitarren schichten sich zu Wänden, die Orgel schluchzt, das Piano hämmert Nägel durch den Sound,  manchmal bellt eine heisere Mundharmonika, und Chöre jubilieren wichtige Textzeilen wie „Lalala!“

Vor allem aber ist dieses Album bis an den Rand gefüllt mit außergewöhnlich guten Liedern. Das beste  davon heißt „House of a Thousand Guitars“, und es feiert die Magie der Musik: „So wake and shake off your troubles my friend/We'll go where the music never ends/From the stadiums to the small town bars/We'll light up the house of a thousand guitars.“

Ähnlich gut ist „Ghosts“, Springsteens Verbeugung vor all jenen Musikern, die vor ihm kamen und deren Kraft ihn trägt: „Ich bin am Leben!“, ruft er. „Ich spüre das Blut in meinen Knochen zittern!“

Wer sich  politische Ansagen erhofft hat, wird enttäuscht. „The criminal clown has stolen the throne/he steals what he can never own“ ist der einzige Verweis auf jene Figur, die in Wahrheit zu unwichtig ist, um in einem Springsteen-Album vorzukommen.

Gute Rockmusik ist vertonte Sehnsucht. Es geht um das, was nicht da ist: die große Liebe, die große Freiheit, oder wenigstens ein großes Auto. „Letter to You“ ist der richtige Soundtrack, um sich auf das zu freuen, was danach kommt.

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