Barbara Kaufmann: Geistige Brandstifter

Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass die Wut größer wird, der Ton schärfer, der Hass gedeiht, den sie in die Herzen der Menschen gepflanzt haben.
Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

Niemand mag den Kritiker in den eigenen Reihen, der vor verbalen Grenzüberschreitungen warnt. Ein Sprachpolizist ist er, ein Sensibelchen, ein Übertreiber. Ein Moralist, ein Unruhestifter, ein Alarmist. Einer, der die Lage falsch einschätzt. Alles zu düster sieht. Überall Gespenster vermutet, den Ungeist früherer Zeiten.

Ein Neider ist er, der jenen nichts gönnt, die gerade ganz oben sind und sich keine Sorgen machen müssen, weil ihr ständiges Schüren der Ängste und Sorgen anderer sie nach ganz oben geschwemmt hat. Ein Verhinderer ist er, ein I-Tüpfelreiter, ein Erbsenzähler, weil er immer noch mitzählt bei allen Ausfällen und Einzelfällen, sich noch immer aufregt und es nicht endlich gut sein lassen kann.

Weil er nicht verstehen will, dass ein Umbau nicht ohne Schmutz und Schutt und Baulärm geht. Und wer vom Lärm langsam krank wird, wem die Ohren klingeln vom Krach, wem ganz anders wird bei den Begleittönen, der soll eben kampflächeln gegen das Getöse. Gute Laune ist seit jeher ein Kriegsgegenstand.

Einer, der nicht mit der Zeit gehen will, ist er. Der nicht einsehen will, dass Veränderung nicht ohne Schmerzen geht. Dass vieles schief gelaufen ist und das muss man eben auch offen ansprechen dürfen, beim Namen nennen, klare Verhältnisse herstellen. Dass man so Sündenböcke schafft und Feinbilder, hat man nicht bedacht. Das sind doch nur Überspitzungen, die gehören zum politischen Alltag, zum Wahlkampf, das nimmt doch niemand ernst. Und wenn doch?

In den Jahren vor ihrer Ermordung wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia regelmäßig auf offener Straße beschimpft. Selbst wenn sie einkaufen ging, schleuderten ihr Passanten Gemeinheiten entgegen. Sie war vogelfrei, sagt ihr Sohn heute. Dem vorausgegangen waren wüste Wortmeldungen jener Politiker, deren Taten sie kritisch kommentierte. Regelmäßig wurde sie in Interviews verleumdet, diskreditiert, lächerlich gemacht. Das hat die Hemmschwelle gesenkt, sagt ihr Sohn. Wenn diejenigen, die an der Spitze eine Staates stehen, einen Menschen niedermachen und beleidigen, ohne Konsequenzen, warum sollte man es dann nicht auch dürfen?

Anfang der Woche wurde im Briefkasten des Milliardärs George Soros eine Bombe entdeckt. Am Mittwoch fand man Bomben bei den Obamas und den Clintons. Das Büro des Nachrichtensenders CNN in New York musste evakuiert werden wegen eines weiteren verdächtigen Funds. Soros, Obama, Clinton. Wie oft waren sie Zielscheiben von Hetzreden, hat der US-Präsident gegen sie gewettert, sie verleumdet, sie diffamiert? Und hat er nicht CNN „Fake News“ vorgeworfen, den Nachrichtensender „den Feind des Volkes“ genannt? Und diesen Vorwurf immer wieder wiederholt, bis seine Anhänger ihn verinnerlicht haben?

Die Saat des Hasses geht irgendwann auf. Die geistigen Brandstifter tragen Mitverantwortung für das Klima eines Landes. Dafür, dass die Wut größer wird, der Ton schärfer, der Hass gedeiht, den sie in die Herzen der Menschen gepflanzt haben. Sie können sich nicht entziehen. Darauf hinweisen, dass das doch alles nicht so gemeint ist, dass das doch nur politisches Säbelrasseln ist, dass das doch niemand ernst nimmt. Denn was, wenn doch?

barbara.kaufmann@kurier.at

Kommentare