Wenn vom Liebesbrief an die ÖBB eines bleibt: Frühlingsgefühle
Es gibt Dinge, die wünscht man sich ganz im Verborgenen. Ohne jegliche Hoffnung, dass sie je Realität werden. Etwa wenn man den ÖBB einen Brief schreibt, in dem man seine Liebe, aber auch Trauer und Wut über einen um eine Minute nicht wartenden Anschlusszug kundtut. Dann erwartet man – nichts. Und bekommt – alles.
Denn die ÖBB haben auf die Kolumne von vergangener Woche geantwortet:
Liebe Anja,
vielen Dank für Deinen „Liebesbrief“. Er klingt, als ob Du uns noch eine Chance geben willst. Danke dafür. Ich werde versuchen, sie zu nutzen. Vorab: Es tut uns sehr leid, dass wir Dich enttäuscht haben!
Und dabei handelt es sich doch nur um ein Missverständnis. Du schreibst, dass „Wien“ keine Minute auf Dich warten wollte. Aber „Wien“ ist ein Mensch und heißt Anna. Sie hatte es richtig schwer, diese Entscheidung zu treffen. Sie sitzt in der Verkehrsleitstelle und muss entscheiden, ob ein Zug warten kann.
Denn unsere Schienen sind, anders als in unserer Kindheit, inzwischen oft so stark befahren, dass ein Zug „sein Durchfahrtsfenster“ unbedingt bekommen muss, damit nicht aus einer Minute Verspätung in einer Kettenreaktion gleich 30 oder 60 werden. Das ist sehr oft der Fall, wenn der Streckenabschnitt eingleisig ist (...).
Die „eine Minute“ kann also darüber entscheiden, ob wir 400 andere Fahrgäste enttäuschen, weil sie zu spät nach Hause, in die Arbeit oder in die Schule kommen.
Selbst das Einzelkind in mir hat a) jetzt ein schlechtes Gewissen, weil es 400 traurige Fahrgäste vor seinem inneren Auge sieht und b) freut sich darauf, Anna bald persönlich bei einem Besuch der Verkehrsleitstelle kennenzulernen.
Aber noch mehr freue ich mich, dass der Antwortbrief den Absender einer ÖBB-Vorständin trug. Ein Mensch ganz oben im Management. Liebe ÖBB, ich glaub, ich krieg gerade Frühlingsgefühle.
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