Liebe ÖBB, das ist ein Liebesbrief an euch

Zugfahrten können nostalgisch machen. Auch was die eigene Erinnerung betrifft.
Anja Kröll

Anja Kröll

Liebe ÖBB, wir müssen reden. So ganz unter uns. Weil irgendwo auf der Strecke haben wir uns verloren. Und ich muss euch ehrlich sagen, mir geht es nicht gut damit.

Ich kenne euch, seitdem ich meine ersten Schritte gemacht habe. Ich komme aus einer Eisenbahnerfamilie – über Generationen. Ich durfte den Ball nie an die Außenmauer unseres Hauses werfen, wenn der Papa vom Nachtdienst heimkam. Weil das wäre zu laut gewesen, dann hätte der Papa nicht schlafen und am nächsten Tag keine Züge mehr zusammenhängen können.

Liebe ÖBB, ich mag euch. Auch wenn mir das aktuell nicht immer leicht fällt. Ich mag euch aus einer Zeit, als es noch kein Klimaticket gab und nicht alle mit euch fahren wollten. Aus einer Zeit, als ich mir dank „Regieausweis“ über das Pendeln beim Studieren keine Sorgen machen musste. Aus einer Zeit, als Rauchen in Zügen erlaubt war. Danke, dass ihr das geändert habt.

Doch es hat sich auch so viel verändert und vieles verstehe ich nicht mehr, liebe ÖBB.

Diesen Moment etwa. Ich sitze gestrandet am Bahnhof in Salzburg. Für wie lange? Angeblich für zwei Stunden. Aber da Streik in Deutschland ist, könnten es auch drei Stunden bis zum nächsten Zug sein.

Warum? Weil der Anschlusszug auf den verspäteten Wiener Zug nicht gewartet hat. Er fuhr um 18:12 Uhr ab. Mein verspäteter Zug aus Wien kam um 18:13 Uhr (!) an. Du hast mir diese EINE Minute nicht geschenkt. Der Schaffner hat gesagt, er hat „Wien“ angerufen und „Wien“ habe Nein gesagt.

Er hat gesagt: „Wir dürfen nicht warten!“ Meine Hoffnung wäre gewesen, dass neben diesem „Wien“ ein Mensch am anderen Bahnsteig gestanden wäre, der mir Zeit geschenkt hätte. Doch den gab es nicht.

Liebe ÖBB, wenn ihr das lest, denkt an unsere guten Zeiten zurück. Tief in euch wollt ihr dort doch auch wieder hin, oder?

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