Als ich mit Pearl Jam sang

"ÜberLeben": Mein tollstes Salzburger Festspiel war ein Rockkonzert.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Das beste Salzburger Kulturerlebnis hatte ich am 18. Juni 2000, und es hatte nichts mit den Festspielen zu tun. Die amerikanische Rockband Pearl Jam ging damals wie ein Gewitter über den Residenzplatz nieder und bot nicht weniger als das perfekte Konzert.

Wobei: Was ist schon perfekt? Ist Perfektion in der Kunst überhaupt erstrebenswert? Oder ist Kunst nicht in Wahrheit der Versuch, aus Nichtperfektion Größe herzustellen? Anders gesagt: Gibt es nicht Gitarristen, bei denen erzählt ein einziger „falscher“ mehr Geschichten als das Gesamtwerk von anderen?

So ein Gitarrist war und ist Mike McCready von Pearl Jam: An guten Tagen spielt er Soli nicht, weil er kann – sondern weil er muss: Weil das Solo ein Überdruckventil ist, das seine übervolle Seele am Platzen hindert. Am Residenzplatz, damals vor 20 Jahren, spielte er ein solches Solo, so fulminant und voller Emotion, dass seinen Bandkollegen der Mund offen stehen blieb. Und alles, was Sänger Eddie Vedder, sonst nie um Worte verlegen, dazu sagen konnte, war: „This is Mike.“

Die meisten großen Kunsterlebnisse sind flüchtig, sie sind aus Luft gebaut und zerfallen wieder zu Luft. Aber von diesem Konzert habe ich einen Mitschnitt auf CD. Und das Erstaunliche ist: Der Zauber hat sich gehalten, er funktioniert immer noch, auch nach 20 Jahren.

Ganz am Ende spielen Pearl Jam eine unglaubliche Version des Songs „Rocking In The Free World“ ihres Idols und Freundes Neil Young. Und wenn man sich den Mitschnitt ganz genau anhört, kann man meine Stimme vernehmen, wie sie gemeinsam mit 5.000 anderen den Refrain brüllt. Bilde ich mir halt ein, obwohl es natürlich Unsinn ist.

Dieses Konzert hat sich mir stärker in die Seele eingebrannt als jedes Salzburger Hochkulturereignis, obwohl da auch ziemlich tolle Sachen dabei waren.

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