Als die Juve-Bezwinger mit der Tramway kamen

"Tagebuch": Angeklagt wegen "sexueller Vergehen an Minderjährigen" ist Seisenbacher zum Prozess nie erschienen.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Am letzten Septembertag 1988 und am ersten Oktobertag 1958 gelang ihnen Sporthistorisches. In die KURIER-Headline brachten sie es dennoch nicht. Aber das ist auch schon die einzige Parallele. Zwischen Fußballern und einem Olympia-Helden, der auf der Watchlist der Justiz steht.

Vor genau 30 Jahren

... rettete Peter Seisenbacher in Seoul nach einer Pannenserie (gekenterte Ruderer, disqualifizierte Schwimmer, verprügelter Boxer) Österreichs Olympia-Ehre. Er holte zum zweiten Mal Gold im Judo-Schwergewicht. In der Königsklasse jener Sportart, die in Asien mehr Bedeutung hatte als damals die anderen 237 Siegestrophäen.

Den 30. Jahrestag erlebt Seisenbacher in der Ukraine. Dort hält sich der Mann, den Kanzler Franz Vranitzky 1988 in seiner KURIER-Olympia-Kolumne als „Beispielgebend für Österreichs Jugend“ bezeichnet und den ich als höflichen, bescheidenen Sieger geschätzt hatte, illegal auf. Angeklagt wegen „sexueller Vergehen an Minderjährigen“ ist Seisenbacher zum Prozess nie erschienen, weshalb ihm mittlerweile schon mehr Zeilen auf Lokal- als seinerzeit auf Sportseiten gegolten haben.

1988 widmete der KURIER trotz der Olympia-Sensation seine Einserseite nicht Seisenbacher, sondern den Vorgängen in der Sowjetunion: Gorbatschow entmachtete alle Gegner seiner Reformpolitik.

Vor genau 60 Jahren

... fegte der Wiener Sport-Club im Europacup Italiens Meister Juventus vor 34.000 Augenzeugen mit 7:0 vom Prater-Rasen. Höher hat der Turiner Klub, dem seit Sommer auch Cristiano Ronaldo angehört, seither nie mehr verloren. Mit CR7 gilt Juve erst recht als ein Champions-League-Favorit, während der Sport-Club in der Regionalliga Ost Platz vier einnimmt.

Vor 1560 Besuchern hielt der Sport-Club beim Spiel gegen die Admira Juniors eine Trauerminute für den soeben verstorbenen Adi Knoll ab. Von den glorreichen Sieben-zu-null-Siegern leben nur noch drei: Heini Büllwatsch, Max Horak und Erich Hasenkopf. Letzterer erinnert sich, wie sie als Halbprofis zum Europacup mit der Tramway kamen, ehe sie die Juve-Stars entgleisen ließen.

Auch der Sport-Club brachte es nicht zur Seite-1-Schlagzeile. Auch 1958 galt sie der Kreml-Politik: Chruschtschow brüskiert Mao Tse-tung. Schwere Kluft SowjetunionRotchina.

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