Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Ist man in Wien noch sicher - vor allem in der Nacht? Diese Frage stellen sich in den vergangenen Monaten viele Menschen, denn tägliche Schlagzeilen von Bandenkriegen unter jugendlichen Asylwerbern verunsichern ebenso, wie Berichte über Gewaltdelikte.
Die Schauplätze dieser Gewaltausbrüche sind immer wieder die gleichen: Favoriten, rund um den Reumannplatz, Ottakring beim Yppenplatz und der Bereich des Pratersterns oder die Bahnhöfe Meidling und Hauptbahnhof.
Bei Vorfällen an diesen Hotspots gab es seit Jahresbeginn Dutzende teils Schwerverletzte. Vor allem ein Kleinkrieg zwischen tschetschenischen und syrischen Jugendlichen artete mehrmals mitten in der Öffentlichkeit in Gewaltexzesse aus. In den meisten Fällen führten Messerangriffe zu Opfern.
Messer sind österreichweit die bei Verbrechen am häufigsten genutzte Waffe: Ein Viertel aller Gewaltdelikte werden damit verübt, wie Grafiken des Profil zeigen.
Polizei und Stadt Wien versuchen das Problem mit verschiedenen Mitteln in den Griff zu bekommen. Beim Hotspot in Favoriten wurde in Frühjahr etwa eine Waffenverbotszone eingeführt. In fünf Monaten wurden 56 Waffen sichergestellt, darunter 36 Messer. "Insgesamt ist festzustellen, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen", sagt Polizeisprecher Markus Dittrich dem KURIER.
Während es in Favoriten also ruhiger wurde, zeigten sich die Probleme am Yppenplatz, wo es sogar zu einer Schießerei kam.
Weil diese Vorfälle relativ aktuell sind, gibt es seitens der Behörden noch keine verlässlichen Zahlen, die die Situation darstellen und vergleichbar machen könnten. Aber auch die Polizeiliche Kriminalstatistik aus dem Jahr 2023 zeigt, dass es in Wien seit Ende der Corona-Pandemie anscheinend wieder gefährlicher zugeht.
Im Vergleich zum Bevölkerungswachstum, entwickelt sich die Zahl der Gewaltverbrechen unproportional nach oben. Dennoch ist Wien was Gewaltdelikte angeht, nicht "gefährlicher" als der Rest von Österreich: Während die Zahl landesweit nämlich um 28 Prozent stieg, waren es in Wien nur 17 Prozent.
Betrachtet man die Gesamtkriminalität, so ist Wien mit 35 Prozent der Spitzenreiter. Wien-weit sank die Zahl der Delikte im Zehn-Jahres-Vergleich allerdings von 202.426 im Jahr 2014 auf 186.475 im Vorjahr.
Kriminalität veränderte sich
Erst im Frühjahr sprach der KURIER mit zwei "Kultkieberern" über die Lage in der Stadt. Ernst Geiger, der 25 Jahre lang die Mordermittlungen in Wien geleitet hat, hätte sich die Art der Delikte aber stark verändert: "Bewertet man nur die Mordkriminalität und die Banküberfälle, dann ist Wien sicherer geworden. Betrachtet man aber die Gesamtkriminalität und vor allem die Körperverletzungen, Raubüberfälle und Sexualdelikte im öffentlichen Raum, so ist Wien unsicherer geworden“.
Und auch Max Edelbacher, langjähriger Leiter des Sicherheitsbüros und später Kripochef in Favoriten erkennt eine Veränderung, allerdings was die Kriminellen angeht: "Es gibt keine Wiener Kriminellen mehr – bis 1970 hat man noch Kriminalität aus Österreich nach Deutschland, Niederlande und Belgien exportiert. Der Wiener Strizzi ist ausgestorben. Heute importiert man Kriminalität etwa vom Balkan, aus der Türkei, Afghanistan, Tschetschenien, Georgien.“
Internationaler Vergleich
Aber wie steht die Bundeshautstadt im Vergleich zu anderen Großstädten in Europa da? Die Plattform für Datensammlung Numbeo gibt jährlich einen Index für die Sicherheit und Kriminalität in Städten weltweit heraus. Wien belegt 2024 Platz 37 von 129 Städten in Europa. Die sicherste Stadt ist demnach derzeit Den Haag in den Niederlanden. Am unsichersten ist man in Bradford in Großbritannien.
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