„Wir sind bunt“ und „Anband'ln an die Zukunft“

Die sechs jungen Rednerinnen und Redner
Auch sechs junge Stimmen beim 10-Jahresfest des Vereins Wirtschaft für Integration.

Anband'ln statt abschieben“, „Wir sind bunt“, „Wienerisch – Europäisch – International“, Begegnung stärken“, „Zukunft miteinander“, „Anband'ln an die Zukunft“ - für jeden dieser Sprüche, die für Haltungen stehen, gab's beim Empfang im Haus der Industrie ein buntes Bändchen. Zu pflücken. Praktisch jede und jeder lief an diesem Abend mit Kärtchen mit unterschiedlich vielen bunten Bändern umher.

Geladen hatte der Verein „Wirtschaft für Integration“ zur Feier des zehnten Geburtstages. Dieser Verein sieht in Vielfalt einen Gewinn – für Menschen, die Gesellschaft aber auch nicht zuletzt die Wirtschaft. Gekommen waren wichtige Honoratior_innen aus Wirtschaft und Politik - vom Industriellen-Chef über den ehemaligen Bürgermeister, den vormaligen Raiffeisen-Boss und späteren Flüchtlingskoordinator bis zum jetzigen Jugend- und Bildungsstadtrat.

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Die bunten Sprüche

Vor allem aber waren viele junge Menschen da. Die meisten haben an der wohl bekanntesten Aktion des Vereins teilgenommen, dem mehrsprachigen Redebewerb „SAG'S MULTI!“. Bei diesem können Jugendliche auf Bühnen an Mikrophonen ihre Gedanken jeweils in Deutsch und einer anderen Sprache äußern. Manchmal handelt es sich um erlernte Sprachen, in den meisten Fällen aber um solche, die sie aus ihrer Familie mitbringen. Nicht selten ist der Bewerb Anlass für Schülerinnen und Schüler diesen Schatz, mindestens eine weitere Sprache mitzubringen, erst so richtig zu pflegen und sich in dieser Sprache, mitunter auch mehreren Sprachen, zu verbessern.

Hier sollen die sechs jungen Erwachsenen, die mittlerweile Alumnis sind, weil sie den Bewerb schon in früheren Jahren gewonnen haben, zu Wort kommen – so wie auf der Bühne im Haus der Industrie. (Die bekannten Promis müssen sich noch gedulden - sie kommen weiter unten in einem eigenen Abschnitt zu Wort ;))

Und wo kommen Sie her?
Aus Niederösterreich.
Ach so, nein, ich meine wo kommen Sie ursprünglich her?
Aus Wien. SMZ-Ost, Donauspital.
Nein, Sie verstehen mich nicht. Wo kommen Ihre Eltern her?
Aus dem Iran.
Ach so, na weil Sie sprechen aber gut Deutsch.
Ja danke, ich bin hier geboren. Übrigens Sie sprechen auch gut Deutsch.
Stille.
Na, weil Sie schauen schon anders aus.
Wie darf ich das verstehen?
Na so dunkle Hautfarbe.
Ja, war zu viel in der Sonne.
Stille. Unangenehme Stille. Nicht für mich, ich bin‘s gewohnt, wäre nicht das erste Mal.

Mit diesem offenbar in ähnlicher Form oft erlebten Gesprächen eröffnete Jonathan Zarifzadeh Mittwoch Abend den Reigen von Gedanken sechs junger ehemaliger erfolgreicher Redebewerbs-Teilnehmer_innen.

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Themen zu denen sich die sechs jungen Redner_innen Gedanken gemacht hatten

Adnan Tokić:
Welche Veränderungen wird uns die Zukunft bringen,
werden wir bald nur noch nationale Fahnen schwingen?
Wie wird es uns in den nächsten Jahren ergehen,
werden wir Herausforderungen gemeinsam bestehen?
Integration, Migration, Einwanderung, fremde Kultur -
sind dies aktuelle Themen einzelner Staaten nur?
Warum können wir darüber nicht mehr lachen,
gegenseitig voneinander lernen und uns Freude machen?

 

Anđela Čegar
Was ist meine Heimat?
Austrija ili Srbija.
Ich bin in Wien geboren, aber meine Familie lebt in Serbien.
U Austriji su moji roditelji, sestre, škola i obaveze.
In Serbien lebt meine Familie. Oma, Deda, Tante, tetak, Cousine. Moja porodica.
Gdje je moja domovina?
Österreich oder Serbien.
Nicht oder, sondern und.
Ne ili nego i.
Österreich und Serbien.
Austrija i Srbija.

„Wir sind bunt“ und „Anband'ln an die Zukunft“

Die jungen Redner_innen auf der Bühne - Honoratioren in den ersten Reihen hören ihnen zu

Emina Piragić
„Auch ist das Suchen und Irren gut, denn durch Suchen und Irren lernt man“, zitierte die Jugendliche den Meisterdichter Johann Wolfgang von Goethe um mit ihren eigenen Gedanken fortzusetzen:
Wenn man neu in Österreich ist, möchte man die Sprache können, die Kultur kennenlernen und dazugehören. Aber bedeutet es, die eigene Kultur zu vergessen, die Muttersprache nicht mehr zu sprechen oder sich entscheiden, ob man eher Österreicher/in oder Bosnier/in ist? Ich konnte bzw. wollte mich nicht entscheiden. Odlucila sam se za oboje. Ja mogu da pricam Bosanski i Njemački. Mogu da zivim ovdje, ali ipak da svoju kulturu volim i da volim mjesto gdje sam se rodila. Ich glaube, ohne SAG´S MULTI hätte ich das nicht so schnell erkannt. SAG´S MULTI hat mir den Wert meiner Sprachen gezeigt und dass es schön ist, eine zweite Sprache zu beherrschen. Außerdem konnte ich durch SAG´S MULTI Menschen mit verschiedenen Religionen, Sprachen und Wurzeln kennenlernen. Bei SAG´S MULTI sind wir alle unterschiedliche Menschen mit einer persönlichen Geschichte, doch wir alle möchten unsere Zukunft hier gestalten und unsere Sprachen in verschiedenen Bereichen einsetzen.

Tekla Scharwaschidze
Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehöre ich hin? - უსამშობლოდკაცი არ ხარ,- Ohne Heimat bist du nicht Mensch, lautet ein georgisches Zitat. Schon mein halbes Leben lang quälten mich diese Fragen, die an meiner Identität zerrten. Ständig war hin und hergerissen zwischen zwei Ländern, gezwungen mich zu entscheiden und ständig im Zweifel an mir selbst. Heute denke ich zurück und lache über meine Ungewissheit, hätte ich bloß früher angefangen auf mein Herz zu hören. Ich ließ mich also weg treiben von dem Druck der Entscheidung und siehe da, ich begriff, mein Herz hatte schon lange einen Weg gefunden für beide zu schlagen von hier (deutet aufs Herz) kann man meine Heimaten auch am schwersten verdrängen. Heimat ist keine Entscheidung, nein. - Heimat ist das Gefühl der Geborgenheit, der Zugehörigkeit, es ist ein Ort der Akzeptanz und der Sicherheit, ein Ort der Freundschaft und der Liebe.

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Abschließenden Großgruppenbild - Jugendliche, Honoratior_innen und Sponsor_innen

Elodie Arpa
Wenn wir an die Zukunft denken, dann wissen wir nicht recht, ob Trump als einmaliges Phänomen oder als Begründer einer neuen Epoche in die Geschichtsbücher eingehen wird.
L’avenir nous fait penser au passé. A un passé sombre que l’on avait cru avoir dépassé.
Wenn wir an die Zukunft denken, dann schauen wir zurück. Dann schauen wir zurück in eine Zeit, in der die Diskriminierung ganzer Menschengruppen zu einer Wahltaktik wurde. Einer Wahltaktik, die gut funktionierte und zugleich die schlimmsten aller Verbrechen anrichtete.
Quand nous pensons à l’avenir cela nous fait peur. Wir fühlen uns klein und ohnmächtig. Ja, sind unsere Sorgen denn überhaupt gerechtfertigt?
Doch wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit gekommen aufzustehen? Zeit unsere Stimme zu heben.
Es reicht nicht demokratisch zu wählen, Demokratie muss gelebt werden. Und es reicht nicht aus, Frieden zu schaffen, man muss ihn auch erhalten.
Unser geeintes Europa, die freie Presse, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – all das stellt man nun in Frage.
Wer, wenn nicht wir, müssen da sagen: unsere Freiheit gegen vermeintlich mehr Sicherheit einzutauschen, dafür sind wir uns zu schade!
C’est à nous de dire non. De dire que tout cela nous fait penser à autrefois. Et que ces pratiques passées nous les rejetons.
Wir. Wir sind jung, wir sind da und wir sind viele. In Gemeinschaft, in Zusammenhalt, in Wohlstand, in Freiheit und Frieden. Wollen wir so auch in Zukunft leben, dann müssen wir heute unsere Stimme heben.

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