Wenn die Traumfabrik zerplatzt

Bienenkönigin mit Schnurrbart und ihre Tochter mit Freiheitsdrang
"Elsas Traum - eine Insektenodysee" von Theaterhandwerk im Dschungel Wien.

Wunderbar entspannt vergnügen sich Biene Elsa und Hummel Uschi auf dem Rücken liegend zu beschwingter Musik vor einem mit schwarzem Müllsack-Plastik verhüllten Unikum. Mit Hilfe eines handlichen Scheinwerfers projizieren sie bunte Lichter an die Decke. Elsa, Tochter der Bienenkönigin und auserkoren, den Laden dereinst zu übernehmen träumt davon, ein flatternder Bühnenstar zu werden wie ihr Vorbild, Ricky Butterfly. So beginnt „Elsas Traum“ von der Gruppe Theaterhandwerk, Autor: Jérôme Junod, Regie: Simon Dworaczek. Die „Insekten-Odysee“ ist derzeit auf Bühne 3 im Dschungel Wien zu sehen.

Die folgenden Dialoge von wegen Hausübung gemacht und so weiter und Elsas Konter, die der Mutter ihre Verbitterung und Spaßbefreitheit auf den Kopf zusagt, kommen nur allzu menschlich bekannt vor und sorgen für entsprechende Lacher – wie später auch so manch andere Anklänge vor allem an die Welt der „Großen“ – und das vor allem von Erwachsenen. Doch auch für Kinder findet sich Witziges in dem insgesamt schwungvoll, spannend, abwechslungsreich – an Bewegungen (Choreo: Loina Hufnagl), Begegnungen - und dem Spiel mit den Baustein-Objekten inszenierten Ausflug ins Reich der Insekten, die dann doch wieder sehr menschlich sind.

 

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Abhauen

Elsa (Johanna Prosl) hält das strenge Regime der Mutter (Michaela Schausberger, die wie alle anderen außer Elsa und Uschi immer wieder auch in andere Rollen schlüpft) so gar nicht aus. Und als ihre stets hungrige Freundin, die Hummel Uschi (Magdalena Mair) von der Königin aus dem Bienenstock geworfen wird, haut Elsa mit ihr ab. Sie will die große weite Welt erkunden, ein Schmetterling werden und vor allem zu ihrem angehimmelten Sängerstar Ricky Butterfly (Paul Graf).

Entdeckungen

Auf ihrem weiteren Flug landen sie bei Wespen, Zikaden, einer Spinnen, Ameisen … Auf dem Weg dahin sowie dort befreien sie nach und nach einzelne der riesigen Bausteine von ihrer Müllsack-Verpackung und finden darunter bunte Teile (Ausstattung: Dimitrij Muraschov). Eben so wie die Welt ist – vielfältig, farbenprächtig und nicht nur düster, dunkel eingehüllt.

Überall aber erleben sie Enttäuschung und nicht das, wonach sie suchen. In der Wespen-Bar heißt es heftiger schuften als im Bienenstock.

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Einge-Netz-t

Die Zikade Jenny brüstet sich damit, Elsas Idol Ricky zu kennen, verspricht Gesangsunterricht zu geben, beschränkt sich aber auf eine Art esoterischer Meditation. Also heißt's jeweils auch wieder Abhauen. Doch dann, die scheinbare Hoffnung: Frau Netz, die Spinne, vorgebliche Managerin von Ricky Butterfly. Schöne Worte, Vertrag – Elsa und Uschi landen in der Ameisenkolonie, sozusagen Sklaven-Fließbandarbeit. Pausen verpönt.

 

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Die Spinne im Vordergrund

Quasseln und handeln

Doch: Da gibt’s die rote Ameise Rosa mit revolutionärer Rhetorik, die allerdings jeweils in Arbeitskreisen, pardon Ausschüssen endet. Den angesprochenen Umsturz setzt dann Elsa in Gang, die zwar weniger revolutionär quatscht, dafür einfach Nein und Stop sagt. Das Signal zum Aufstand, den sich dann „natürlich“ Rosa auf ihre Fahnen heftet, gegen die ausbeuterische Spinne. Deren fast hündisch ergebene Sekretärin Maxi (Jeanne-Marie Bertram) beginnt mit der Befreiung aufzublühen.

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Rosa, die rote Ameise mit Revolutions-Spruch

Auf zum Schmetterling

Eeeendlich am Ziel ihrer Träume angelangt – in der Garderobe von Ricky Butterfly. Sein Konzert ist vorbei, er abgekämpft im weißen, irgendwie blutverschmierten Bademantel, will nur mehr seine Ruhe. Klagt Elsa seine Einsamkeit, vielleicht weil er für die Karriere nur an sich gedacht hat und merkt, dass ihn niemand seiner selbst willen, nicht einmal seiner Songs willen wirklich mag. Und erlebt einen glücklichen Moment, nachdem Elsa ihm sagt, nur seiner Songs willen, habe sie all die Mühen auf sich genommen, um hierher zu kommen. Gemeinsam singen/summen sie seine Hit (die Musik wurde eigens von Jörg Reissner für das Stück komponiert). Könnte ein Schluss sein. Ist es aber nicht. Der Star kippt vom Podest. Tot.

Was tun? Zurück nach Hause. „Oh, wie schön ist Panama“ (Janosch)? Nein, die Mama freut sich, Elsa übernimmt den Laden – und will ihn „optimieren“. Exaktere Buchhaltung und so, aber immerhin mehr Freundlichkeit und weniger Knechtung und doch ein bisschen Spaß haben bei der Arbeit. Kapitalismus in der Form des Neoliberalismus mit menschlicherem Antlitz?

Ganz so war's nicht gedacht, sagt der Autor nach der Premiere zum Kinder-KURIER. Aber die Frage, ob sich der Betreib grundsätzlich anders leiten lässt, wollte er doch in seiner Ambivalenz antippen. Ja, und das „optimieren“ werde wahrscheinlich so nicht mehr fallen, verspricht der Regisseur.

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Infos: Was? Wer? Wann? Wo?

Elsas Traum
Eine Insekten-Odyssee
Theaterhandwerk
Schauspiel, 70 Minuten, ab 10 J.

Autor: Jérôme Junod
Regie: Simon Dworaczek
Darsteller_innen
Dr. K., Brenda, Linda, Maxi: Jeanne-Marie Bertram
Gerda, Frau Netz, Traute, Ricky Butterfly: Paul Graf
Hummel Uschi: Magdalena Mair
Biene Elsa: Johanna Prosl
Bienenkönigin, Jenny, Rosa: Michaela Schausberger

Ausstattung: Dimitrij Muraschov
Choreografie: Lina Hufnagl
Musik: Jörg Reissner

Aufführungsrechte:Thomas Sessler Bühnen- und Musikverlag, Wien

Wann & wo?
Bis 20. Dezember 2018
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
dschungelwien

theaterhandwerk

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