Mehr als eine halbe Million Team-Nachrichten und eMails
Auch Schulen, die sich schon bisher mit digitalen Lernformen beschäftigt haben, stoßen fast an die Grenzen des Machbaren. Wie das Kunststück, in diesen Zeiten zu lehren und lernen, trotzdem gelingen kann, wird hier am Beispiel der privaten Handelsakademie Schönborngasse (Wien-Josefstadt, Vienna Business School/VBS des Fonds der Wiener Kaufmannschat) berichtet. Im Rahmen des nunmehr dreiwöchigen Distance Learnings wurden allein schon in den ersten beiden Wochen mehr als eine halbe Million Team-Nachrichten und eMails geschrieben.
„Global zu behaupten, dass alles funktioniert, würde bedeuten, die Situation schönzureden“, sagt Eveline Grubner, Direktorin dieser Schule mit 635 Schüler_innen und Schüler (in der HAK, der HASch/Handelsschule und dem Aufbaulehrgang). Verschiedenste Wünsche und Anliegen von Jugendlichen, deren Eltern und den Lehrkräften müssen unter einen Hut gebracht werden, und natürlich gibt es Ausbildungsziele, die verfolgt werden müssen. Schon in „normalen“ Zeiten ist die Schulleitung eine Herausforderung, jetzt ist sie ein Kunststück.
Die Arbeitstage der Direktorin sind jetzt noch länger: Grubner steht um 5.45 Uhr auf, vor 18 Uhr ist an kein Ende der Arbeit zu denken. Derzeit liegen Rückmeldungen von Eltern und Schüler_innen auf dem Tisch, einige Aufträge, die gegeben wurden, sind zu umfangreich und können nicht in der vorgegebenen Zeit abgearbeitet werden. „Natürlich verstehe ich die Lehrkräfte, die nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, optimalen Unterricht zu leisten, dennoch ist es sehr schwierig das richtige Ausmaß zu finden.
„Distance Learning stellt uns alle vor ganz neue Herausforderungen. Damit wir besser auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingehen können, holen unsere PädagogInnen nun regelmäßig Feedback ein und passen die Länge der Aufgabenstellungen an“, erzählt Grubner.
Größte Unsicherheit bei Maturaklassen
„Die größten Herausforderungen sind derzeit, alle zum richtigen Zeitpunkt mit verlässlichen Informationen zu versorgen und jene zu beruhigen, die in Stress geraten, weil das Ende dieser unsicheren Zeiten niemand vorhersagen kann. Davon am stärksten betroffen sind derzeit die Schülerinnen und Schüler der Maturaklassen sowie ihre Pädagoginnen und Pädagogen“, so die Direktorin. Um die notwendigen Informationen zu bekommen, steht sie im Dauerkontakt mit der Bildungsdirektion Wien, checkt mehrmals täglich die Webseiten der zuständigen Ministerien und informiert sich – vor allem abends, wenn die dringenden Aufgaben des Tages erledigt sind – über die öffentlichen Medien.
Herausforderung für die digitale Infrastruktur
Der IT-Experte Manfred Klima – er ist auch Pädagoge, an der VBS Akademiestraße - erklärt, wie der Heimunterricht in großem Maßstab vorbereitet wurde: „Ich habe zunächst alle Lehrkräfte darüber informiert, welche Plattformen in welcher Unterrichtssituation sinnvoll eingesetzt werden können und wie man Tools wie etwa MS Teams im Unterricht nutzt, auch zu häufiger genutzten Tools wie Outlook, OneNote oder OneDrive gab es Fragen. Der Lernwille der Pädagoginnen und Pädagogen ist bemerkenswert.
Man merkt, dass sie hier im Sinne der Schülerinnen und Schüler alle Anstrengungen auf sich nehmen, um einen möglichst professionellen digitalen Unterricht durchzuführen. Um die Dimension zu veranschaulichen: An der Vienna Business School gab es in den zwei Wochen seit Mitte März rund 600.000 MS Teams-Nachrichten und eMails.“
Klima weiter: „Ich freue mich, dass auch Videobesprechungen und Bildschirmteilung – etwa bei Gruppenarbeiten – intensiv genutzt werden. Damit können wir die räumliche Distanz zum Teil überbrücken und den Schülerinnen und Schülern direkte und persönliche Hilfestellung geben. Nach über zwei Wochen digitalem Unterricht stelle ich fest, dass ich derzeit schon mehr mit didaktischen Fragestellungen als mit technischen Fragestellungen beschäftigt bin. Bei aller persönlichen Begeisterung, was die technologischen Möglichkeiten betrifft, soll meine Arbeit vor allem Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im täglichen Unterricht unterstützen und die Menschen in den Mittelpunkt rücken.“
Digitale Lernformen: Challenges motivieren die SchülerInnen
Die aktuelle Situation ist aber auch für die Pädagogik eine Herausforderung: „Wir haben natürlich den Vorteil, dass unsere Schülerinnen zwischen 15 und 19 Jahre alt sind und daher schon sehr selbständig arbeiten können“, erzählt Bernhard Irschik. Er ist Klassenvorstand der 1DK JusHAK, einer neuen Schulform, in der neben den kaufmännischen Inhalten auch eine juristische Grundbildung vermittelt wird.
„Ich bin stolz auf die Schülerinnen und Schüler, die schon in der ersten Klasse sehr gut daheim lernen. Großen Respekt habe ich auch vor den Eltern, die gerade bei unseren jüngeren Schülerinnen und Schülern de facto mit unterrichten, sie sind für uns wichtige Kontaktpersonen“, so Irschik, der unter anderem die Fächer „Unternehmensrechnung“ und „Persönlichkeitsbildung und soziale Kompetenz“ unterrichtet.
Konkret wickelt er seinen Unterricht ab, indem er auf eine Kombination von Skype- bzw. Microsoft Teams-Video-Lehreinheiten, Chat- und Forum-Betreuung sowie zu erledigende Aufgaben und Quizze setzt. Als essentiell erscheint Irschik, dass die Schülerinnen und Schüler im Distance Learning-Prozess angeleitet werden, wie die zu erledigenden Aufgaben zu lösen und wie etwaige Schwierigkeiten zu überwinden sind.
Neben dem fachspezifischen Austausch setzt Irschik aber auch auf eine umfassende soziale Betreuung: „Gerade als Klassenvorstand und Coach ist es mir und auch den Schülerinnen und Schülern wichtig, am Beginn sowie am Ende der Schulwoche eine Klassenvorstandsstunde via Videokonferenz abzuhalten. Hier lassen wir die Woche Revue passieren. Als wir alle gemeinsam über eine lustige Anekdote einer Schülerin lachten, war das richtig herzzerreißend. So etwas verbindet – gerade in diesen Zeiten“, so der Pädagoge.
Zugute kommen vielen PädagogInnen jetzt auch ihre speziellen Coaching-Ausbildungen, die der Schulbetreiber Fonds der Wiener Kaufmannschaft anbietet und auch bezahlt.
Sehr gut funktionieren in der aktuellen Situation auch Challenges, erzählt Irschik: „Wir nutzen derzeit gerne die Lern- und Quizplattform playmit.com, die durch das Unterrichtsministerium unterstützt wird. Playmit bietet hochwertige wirtschaftspädagogische Inhalte an, auch am Handy. Die Jugendlichen werden mit Matching und monatlichen Gewinnen motiviert, sich mit praxisorientierten Inhalten zu beschäftigen. Viele unserer SchülerInnen absolvieren hier Challenges. Besonders stolz waren sie natürlich, als die VBS Schönborngasse in der Schul-Challenge für den Monat März geführt hat“, so Irschik.
Doch der Pädagoge räumt auch ein, dass es Schwierigkeiten gibt: „Niemand war auf diese Situation vorbereitet, so dass man jetzt, glaube ich, keine perfekten Abläufe erwarten darf. Aber im Großen und Ganzen versuchen alle – Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern – ihr Bestes zu geben“, so Irschik.
Herausforderung für SchülerInnen und Eltern
Seraphina und Zeno Grigkar, Schüler_innen der 1DK JusHAK dieser Schule erzählen: „Diese Zeit bedeutet für uns eine herausfordernde Umstellung. Manches ist schwieriger, manches leichter als im Alltag in der Schule. Die Selbsteinteilung des Lernens ist ein guter Weg, sein eigenes Zeitmanagement zu trainieren und zu verbessern. Dadurch, dass unsere Schule technisch gut ausgestattet ist, kommt es zu keinen Komplikationen und die Kommunikation funktioniert einwandfrei. Ein besonderer Vorteil des Distance Learnings ist für uns, dass wir selbst entscheiden können, wann wir welche Aufgaben erledigen möchten und nur einen fixen Abgabezeitpunkt haben. Natürlich vermissen wir unsere Freunde sehr, doch wir nutzen Videoanrufe und sind so oft mehrere Stunden täglich in Kontakt. Wenn Probleme bei Aufgaben aufkommen, helfen uns unsere Eltern, sofern es nötig ist. Für uns ist es eine ungewohnte Situation, dennoch fällt uns diese Phase zunehmend leichter. Wir kommen gut mit dem Lernen zurecht und genießen die dazugewonnenen Freiheiten sehr.“
Eleonore Grigkar, die Mutter des Zwillingspaares, ergänzt: „Die jetzt geforderte Eigenverantwortung für das Lernen verlangt den Kindern schon einiges ab. Sie müssen selbst ihre Lernzeiten und Pausen planen, geeignete Lernstrategien entwickeln und die Wünsche und Bedürfnisse, die außerhalb des Schulischen liegen, hintanstellen. Das alles ist zwar noch nicht autonomes Lernen im eigentlichen Sinn, aber dabei werden schon wesentliche Fähigkeiten erlernt. Und die Kinder machen es toll!“
Zeno und Seraphina Grigkar sind Schüler der ersten Klasse JusHAK der Vienna Business School Schönborngasse. Hier hat sie ihre Mutter im „Homeoffice“ fotografiert.
Beate Mayr-Kniescheck
Hier unten geht's zu einem Ostergruß ...
... einer anderen Vienna Business School, jener am Hamerlingplatz, auf der Rück- oder Vorderseite - je nach Sichtweise ;) - der Schönborngasse.
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